Lüneburg, am Dienstag den 13.05.2025

„Was nicht verboten ist, ist erlaubt“

von Carlo Eggeling am 29.03.2023


Eigentlich möchten alle bürgernah und offen sein, doch Ratssitzungen live im Internet zu übertragen, scheint in Lüneburg nicht dazuzugehören. Seit Jahren beschäftigen sich Rat und Verwaltung damit -- und haben das Thema abgeschmettert: zu kompliziert, zu teuer. Bei der vergangenen Ratssitzung im Kulturforum war nun einiges anders. Die FDP hatte erneut einen Antrag zum Streamen eingebracht -- und dieses Mal wurden Fakten geschaffen. Die Stadt selber nahm die Sitzung auf, will alles später ins Netz stellen.

Vor allem war es aber die Stunde Michèl Paulys, der mit einer Kamera und eingeschränkter Tontechnik "Rats-Fernsehen" bot. Pauly, ehemaliger Ratsherr der Linken und aus der Partei ausgetreten, überrumpelte die Verwaltungsspitze offenbar mit seinem Vorgehen. Zwar war man offenbar wenig begeistert von dem Vorgehen, Vertreterinnen der Presse- sowie der Stabsstelle des Rathauses, ermahnten ihn, doch die Kamera surrte. Er dürfe nur mit Verzögerung filmen und übertragen -- Verzögerung ist ein dehnbarer Begriff, letztlich ging es um Sekunden.



"Es ist erlaubt, was nicht verboten ist", sagt Pauly: Rechtlich sieht er sich auf der sicheren Seite: Wenn in der Hauptsatzung des Rates Berichterstattung in Bild- und Ton erlaubt ist, sage das Land, dass man aus der Sitzung senden könne. Eine Einschränkung gebe es, wenn jemand nicht gefilmt werden wolle. Von diesem Recht machten die Dezernenten Gebrauch, aber: "Von den Politikern ist niemand zu mir gekommen."

Pauly, der kein Journalist im klassische Sinne ist und sich als Video-Blogger bezeichnet, betont, dass man sich in Lüneburg sehr ziere: In Osnabrück, Celle und Wolfsburg beispielsweise seien Übertragungen gang und gäbe. Er warte nun auf eine schriftliche Stellungnahme der von Seiten der Verwaltung, um dann zu entscheiden, wie er reagiere.

Die Verwaltung hingegen reagiert angefasst. Die Stellungnahme auf Nachfrage: "Wir werden als Stadt unsere Aufzeichnung genauestens bearbeiten vor dem Hintergrund, dass wir die datenschutzrechtlichen Belange beachten müssen. Erst dann wird entsprechend unserer Ankündigung eine Veröffentlichung erfolgen. Vor diesem Hintergrund werden wir als Stadt, im Interesse der städtischen Mitarbeiter:innen, die Film- und Tonaufnahmen nicht zugestimmt haben, auch prüfen, ob der anwesende Medienvertreter die Datenschutzregeln bei der bereits erfolgten Veröffentlichung beachtet hat."

Wenn Pauly rechtlich korrekt gehandelt hat, dann könnte sein Vorgehen Vorbild für andere sein. Warum sollte dann nicht jeder in Bild und Ton aus Sitzungen berichten? So weit kann die Freiheit aus Sicht der Verwaltung nicht gehen. Dort heißt es: "Einen Rechtsanspruch für Medienvertreter gibt es unserer Auffassung nach nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Platzkapazitäten. Es besteht aber unserer ersten Einschätzung nach kein Anspruch darauf, dass wir zusätzliche Kapazitäten schaffen müssen. Ferner ist doch das Bedürfnis hiernach fraglich, wenn die Stadt künftig unter Beachtung der Datenschutzbestimmung die Ratssitzungen veröffentlichen wird."

Eins zeichnet sich allerdings auch ab: Die Zuschauerzahlen dürften überschaubar bleiben. Pauly sagt: "Direkt hat vielleicht ein Dutzend geguckt."

Interessanter dürfte die langfristige Wirkung sein. Denn der Rat könnte etwas dafür tun, dass sich mehr Bürger für die Geschicke Lüneburgs interessieren. Dazu könnte zählen, weniger langatmigen Reden mit überschaubarem Inhalt zu halten, wichtige Themen aus dem hinter verschlossenen Türen tagenden Verwaltungsausschuss in den Rat zu holen und für Transparenz zu sorgen. Das gilt auch für die Verwaltungsspitze. Der Bürger erlebt, was von Ansprüchen vor der Wahl nach der Wahl übrig bleibt. Carlo Eggeling













© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Michèl Pauly
am 30.06.2023 um 03:51:22 Uhr
Mittlerweile ist auch der "plötzliche Stream" einmal umgezogen, wie auch der Autor des obigen Texts. Die Streams sind künftig zu finden unter:
https://luene-stream.de/
oder bei facebook unter: https://www.facebook.com/profile.php?id=100094404000865

Die von der Stadt angestellten rechtlichen Bedenken werden übrigens nicht weiterverfolgt. Nach reichlich rechtlichen Drohungen und dem Versuch die Berichterstattung zu verhindern, werde ich mittlerweile sogar recht freundlich begrüßt. Und das "Stream-Team" von Lüne-Stream wächst.

Bedenklich finde ich, dass eine Verwaltung den Eindruck erweckt oder es gar verfolgt, dass Berichterstattung sich danach zu richten habe ob die Verwaltung - über deren Handeln ja auch berichtet wird - hierfür ein "Bedürfnis" sieht. Das ist eine - nennen wir es bemerkenswerte - Haltung gegenüber der Pressefreiheit.
Das alles scheint Schnee von gestern. Lüneburgs Rat wird gestreamt und mittlerweile auch in einer passablen Qualität. Wer dafür sorgen will, dass es besser wird, kann sich gerne bei uns melden.


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