Lüneburg, am Montag den 09.06.2025

Was passiert am schönsten Lüneburger Platz?

von Carlo Eggeling am 07.06.2025


Meine Woche
Sand im Getriebe

Die besten Geschichten liegen auf der Straße. In Lüneburg auf dem Sand. Der besitzt, räumlich betrachtet, das größte Straßencafé. Vor einem Dutzend Lokalen stehen Tische und Stühle. Die Stadt hat ein neues eröffnet, zwei sogenannte Grüne Oasen locken nun eine Klientel, die sich zuvor an den Bushaltestellen traf. Die Stadtgesellschaft treibt es um, dass dort der Durchschnittspromillewert gefühlt bei drei liegen dürfte mit lautstarken Folgen. Anstrengend. Die einen fordern, abräumen und ein bisschen Hilfe für die Mühseligen und Beladenen, die anderen glauben, zuerst müsse den Stammgästen eine Alternative geboten werden, um etwas zu ändern. Ob die das wollen.

Und nun? Karl Kraus: "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative und eine komische."

Die positive: Lüneburg diskutiert über zunehmende Verelendung, die bundesweit zu beobachten ist. Menschen, denen der Sozialstaat nicht helfen kann oder soll, weil sie ihre Tage im Rausch verbringen, sind unübersehbar. Es werden augenscheinlich mehr. Wie geht die Stadt damit um?

Eine politische Frage, die CDU sieht sich als Beschützer des Etablierten, fordert ein Durchgreifen und dazu Angebote. Die SPD und die Linke empfinden die vorhandenen Hilfsangebote als zu gering und knüpfen argumentativ am sozialen Netz.

Endlich. Parteien stehen für Positionen. Das ist gut, weil Bürger überlegen können, warum sie jemanden wählen. Nächstes Jahr ist es soweit.

Die negative Seite: Der Suff und seine Folgen nerven, selbst wenn die Polizei laut Verwaltung angeblich nicht mehr Einsätze verzeichnet, leiden Geschäftsleute und Anlieger daran. Aggression, vollgepisste Eingänge, Kundenhallen, die zu Quartieren und Handy-Telefonzellen werden, weil ein kostenloses W-Lan lockt. Bei allem Verständnis, eine Diskussion mit Zugedröhnten macht wenig Freude und hat wenig Erfolg.

Zur Bilanz: Wie oft hält ein Streifenwagen überhaupt an, Fußstreifen sind eher selten zu beobachten. Der als Veränderung verkündete Kommunale Ordnungsdienst samt Sozialarbeitern scheint Gastspiele zu geben, die nichts erkennbar ändern. Greift die Bilanz überhaupt, kann es sein, dass es generell zu viele Schlägereien, Ladendiebstähle und "Erregung öffentlichen Ärgernisses" sind?

Eigenwillig die ellenlange Erklärung der Oberbürgermeisterin, die schlicht sagt, nicht schön, wissen wir, wir sind dran, und nun macht mal halblang und folgt mir.
Wohin?

Ihr Blick auf den Platz und sein Leben ist -- zumindest bei einigen -- unvergessen: Als sie vor drei Jahren das Stadtfest eröffnete und ihr einer der üblichen Betrunkenen entgegen brüllte, sie bekomme wie schon in Amelinghausen wenig beschickt, reagierte sie mit einem majestätischen Weltbild der niederen Klassen. Der Mann möge "Flaschen sammeln gehen im Park".

Als ihr die Sache um die Ohren flog, weil die Verachtung zunächst bei LA und Tage später auch gedruckt zum Thema wurde, flanierte sie mit großem Tross auf den Platz und entschuldigte sich lauwarm.

Heute fügt sie ihrer Pressemitteilung ein Bild von sich auf einer Oasen-Bank bei. Was soll uns das sagen? Ich traue mich alleine, und mir tut keiner was? Was ja nicht sein kann, irgendwer aus dem Stab muss das Foto gemacht haben. Oder schlicht: Ich liebe Selfies?

Damit kommen wir zum Komischen. Die Verwaltung weiß offensichtlich nicht, wohin mit dem Grünen Oasen. Protest im vergangenen und in diesem Jahr die Baustelle der IHK an der Grapengießerstraße sorgten für eine Verdrängung der genialen Möbel samt Trockenblumen.

Verdrängung kennen übrigens auch die Suchtkranken, die sich vorher nicht nur zum Flaschensammeln im Clamartpark trafen. Der wurde so umgebaut, dass die Szene verdrängt wurde und nun auf dem Sand sitzt.

Um im Bild zu bleiben: Die Stadtspitze schüttete noch ordentlich Fusel nach, als sie eine Alternative zu den Bushaltestellen schuf. Wahrscheinlich steckt Strategie dahinter, denn im Rathaus gibt es einen Stab, der sich tiefgreifende Gedanken macht, dazu eine nach eigener Wahrnehmung hochkompetente Stadtkonferenz, die zahlenmäßig mangels Bürgern mit ordentlich Verwaltung beschickt war, wie Fotos zeigen und Teilnehmer berichten.

Dahinter könnte ein vermeintlicher Medienprofi und laut seines Internet-Auftritts „Geradeausdenker“ stecken, der für die nächsten Ratssitzungen mal richtig Stimmung möchte. Unheimlich geradeaus gedacht, CDU und SPD einen Aufreger zu schenken, der die Oberbürgermeisterin und ihre Grünen treibt. Gegen Soziales können die inhaltlich kaum sein.

Zu beobachten ist, dass Anna Bauseneick von der CDU-Ratsfraktion und ihr Partner Patrick Pietruck, Vorsitzender der Mittelstandsunion, sich wieder als Köpfe zeigen und auf Attacke schalten. Die Besonnenen oder Schläfrigen in der schwarzen Fraktion bekommen gezeigt, dass sie nicht gerade zupackend sind. Braucht man die künftig?

Die SPD kommt mit Druck aus den hinteren Reihen in Wallung, auch da sind neue Köpfe zu erkennen, die handeln. Die Linke muss sowieso einfach hinterher. Thorben Peters als Landesvorsitzender der Partei ist zudem Leiter der Herberge, also Berufsbetreuer der umstrittenen Volksgruppe.

Da Politik aus Kompromissen besteht, kann man Law and Order und Sozialpolitik sicher vereinen. Gegensätze funktionieren zusammen, wenn sie ein Ziel eint — sehen wir in Berlin.

Aus dem Rathaus und aus der Politik ist zu hören, dass die Oberbürgermeisterin missgestimmt und überfordert wirkt. Das ist nicht wirklich neu. Daher dürfte sie sich im nächsten Rat wieder hinter die Verwaltung ducken, weil sie sich â€” verkehrte Welt — schützend "vor meine Mitarbeiterinnen" wirft, dann sind die böse, die über die Situation berichten, und schließlich kommt: Wir müssen reden und zusammenhalten. Allmählich ziemlich abgenudelt.

Was bleibt? Fachleute sagen, Alkoholkranke, Drogenabhängige, Wohnungslose und seelisch Kranke brauchen jeweils Angebote. Mehrere Treffpunkte mit dem Wissen: Es ist wie bei Jugendzentren, geht nicht jeder hin, wer cool ist, mag die Bushaltestelle. Wer nach Verboten ruft, muss sie umsetzen können. Kann man das bei alkoholfreien Bereichen? Was ist neben dem Sand los, an der Grapengießerstraße, in einem Markt wird gern Nachschub von vielen gekauft, die sich flüssig für Tag und Nacht verpflegen. Was ist mit Reichenbachplatz und Sülzwiesen?

Wie gut, dass die Stadt das Sozialdezernat neu besetzt hat. Konzepte. „Zuversicht“, um die Oberbürgermeisterin zu zitieren. Denn es ist Pfingsten ist, das Fest, von dem Christen glauben, dass der Heilige Geist ausgeschüttet wurde.

Für die weniger Gläubigen hilft neben Karl Kraus ein anderer Spötter, dem im Ostholsteinmuseum eine Ausstellung gewidmet ist, der Karikaturist Wilhelm Busch: „Tugend will ermuntert sein, Bosheit kann man schon allein.“ Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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