Lüneburg, am Donnerstag den 05.06.2025

Was Tripkauer Karnevalist im Sommer machen — großes Fest am 26./27.August

von Carlo Eggeling am 15.08.2023


Närrisches Amt Neuhaus
Was machen Karnevalisten im Sommer? Jede Menge Spaß. Der 1958 gegründete Carneval Club Tripkau ist ein fester Teil des Dorflebens. Ende August feiert er ein Dorffest. Da sollte man hinfahren

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Am 11.11. um 11.11 Uhr ist es lustig, am Rosenmontag im Februar auch. Klar, aber was machen Narren im Sommer? Karneval, nur ein bisschen anders. In Tripkau im schmalen und gut 30 Kilometer langen Amt Neuhaus, umarmt von Elbe und Mecklenburg, gehört der Verein dazu wie die Luft zum Atmen. Lebensnotwendig. Um die 240 Seelen leben in dem Dorf, schätzt Ortsvorsteher Christian Möhring, den alle Möhre nennen. Mit den umliegenden Ortschaften sind's vielleicht 700. Gut 200 davon sind Mitglied im Carneval Club Tripkau.

Der macht auch im Sommer Spaß: Sie proben an diesem Abend mit einem Dutzend Frauen und Männer ein Theaterstück im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens, der sinnig Mehrzweckhalle heißt: Sport, Karneval, Versammlungen. Ein paar Flaschen Bier und Limo stehen auf den Tischen, die Schauspielerinnen nippen an einem Gläschen Sekt. Brauchen sie eigentlich nicht, denn locker sind sie alle. Einen Namen für ihr Stück steht noch nicht fest, die Handlung schon und dass es bei der Großen Hofpause, einem Fest am 26. und 27. August zu sehen sein wird.

Claudia Harms sitzt am Rand, die 35-Jährige ist Kassenwartin des Vereins, macht in einer der Tanzgruppen mit. Sie erzählt: "Elisabeth Siefert hat das Stück geschrieben, ihre Tochter Claudia führt Regie." Die Handlung: Auf der Krainke, einem Flüsschen in der Nähe, sollen künftig fünf Kreuzfahrtschiffe Gäste ins Amt Neuhaus schippern, das wird ein touristisches Highlight. Es erinnert an den Klamauk im Ohnsorg-Theater, heiter, fröhlich und ein bisschen piksig, weil man(n)'s mit dem Gendern nicht so hat, Berliner Weisheiten nicht immer einsichtig erscheinen.

Da stehen die Tripkauer Jecken in einer Tradition. Ihre "Ahnen" gründeten den Verein 1958 in der DDR. Zu lachen hatten sie Ende der 50er-Jahre wenig, im Amt Neuhaus gab es neben dem üblichen DDR-Mangel Zwangsaussiedlungen in den Elbdörfern. Da war der Karneval, den sie verbotenerweise im West-Fernsehen sahen, ein dosiertes lokales Alternativ-Programm zur Tristesse im Sperrgebiet, in das nicht jeder durfte. "Mainz, wie es singt und lacht" als Vorbild für Tripkau.

Büttenreden, Kamelle, Kostüme – Karneval bedeutete ein Stück Opposition. Der Sozialismus war schließlich eine ernste Sache, Spott äußerst unpassend, fanden Staat und Partei. Trotzdem: Ein Ventil musste sein. Carnevals Club gelb/weiß heißt der Verein. Das ist auch die Farbe der Welfen und damit ein Bekenntnis zum nahen Niedersachsen auf der anderen Seite der Elbe. Möglicherweise ging das den SED- und Stasi-Bonzen durch.

Wie überall saßen Zuträger der Staatssicherheit in Vorstellungen und im Verein. Kritik musste unschuldig und in Andeutungen daherkommen -- aber jeder wusste Bescheid, wenn man etwa den Unfall eines besoffenen Bürgermeisters auf die Schippe nahm. Dazu Kalauer, die vor Sarkasmus über die Allmacht des Staates trieften: "Die Sonne scheint, der Himmel lacht, das hat wieder die Partei gemacht."

Lange vorbei. 1989 kam die Wende. Viele zogen fort aus dem Amt Neuhaus, der Arbeit wegen. Auch die jungen Leute. Aber die kommen wieder, so wie Claudia Harms. "Ich habe elf Jahre in Hamburg gelebt", sagt sie. Das Heimatsehnen blieb: "Am Wochenende bin ich nach Hause gefahren." Schließlich zog sie zurück.

Langeweile? Nein. Auch wenn Lüneburg, Schwerin und Hamburg und damit Kino, Kneipe und Kultur Stunden weg sind. Wer hier lebt, entscheidet sich für Gemeinschaft. Karnevalsverein, Sport, Angler, Förderkreis und aktive Feuerwehr -- da treffen sich oft dieselben. Claudia ist Pressesprecherin der Feuerwehr. 5300 Menschen leben im Amt Neuhaus, die Feuerwehren zählen rund 300 Mitglieder. Zum Vergleich: In der Stadt Lüneburg mit ihren knapp 80 000 Einwohner engagieren sich rund 240 Frauen und Männer als Brandbekämpfer.

Der Karnevalsverein bietet Tanzgruppen für Kinder, knapp 30 machen mit, bei den Teenies sind mehr als 15, vielleicht kommt noch eine dritte Gruppe dazu. Die Projekte sind anerkannt als Schul-AGs. Tripkau besitzt eine Grundschule, Neuhaus eine weiterführende Schule, zu Gymnasien fahren sie nach Dömitz oder über die Elbe nach Bleckede.

"Wir erleben Zuzug", sagt Ortsvorsteher Möhring, der natürlich auch bei dem Theaterstück mitmacht. "Die jungen Leute kommen zurück, weil sie ihre Kinder hier großziehen wollen und nicht in der Stadt." Homeoffice und gute Datenverbindungen können beispielsweise Versicherungskaufleute wie ihn und Claudia Harms eben auch im vermeintlichen Abseits gut arbeiten lassen.

Nun haben sie zu tun, die Probe geht weiter für das Hoftheater am 27. August, 14 Uhr auf dem Hof der ehemaligen Schule in Tripkau. Sie rufen dann nicht Alaaf und Hellau, aber gelacht wird auf jeden Fall. Irgendwie ist doch das ganze Jahr Karneval. Carlo Eggeling


Historische Fotos:
Schon in den 1920er Jahren bestand eine Theatergruppe in Tripkau. Doch die schlief irgendwann ein. Vor zwölf Jahren wurde sie wiederbelebt. Einmal im Jahr treten die Laienschauspieler bei der "Großen Hofpause" auf. Das Fest beginnt mit einer Gaudi-Olympiade, ein Wettbewerb, der vor allem Spaß macht und ein bisschen verrückt ist. Skat, Knobel, Gottesdienst und Blaskapelle Kaarßen gehören auch dazu.

Szenen des Stücks
Frank Henno Brandmann, Christian "Möhre" Möhring, Matthias Dräger und Elfriede Schönau gehören zur Crew und Gästeschar des Kreuzfahrtschiffes, das über das Flüsschen Krainke schippert. Natürlich geht nicht alles glatt, Abenteuer wie aus dem Ohnsorg-Theater stehen bei dem selbstgeschriebenen Stück auf dem Programm. Natürlich gibt es manchen Witz über das Dorfleben.

Im Zuschauerraum warten die anderen Mitspieler auf ihren Einsatz. Sie helfen aus, wenn es mit dem Text nicht auf Anhieb klappt. Die Gemeinschaft probt seit Juni in der Mehrzweckhalle Tripkau. Rechts sitzt Claudia Harms, die das Theater und den Verein ebenso begleitet wie die Feuerwehr.

Regisseurin Claudia Siefert achtet auf den richtigen Einsatz und den Ablauf. Ein Ehrenamt, das Humor, Geduld und Motivation braucht.

Requisiten:
Es geht auch um Geld, ein Bündel Hunderter liegt auf dem Tisch, natürlich nicht in echt.
Blumen, Federboa, Kaffeekanne und Rettungsring -- unverzichtbar bei einer Kreuzfahrt.

Das Programm.

Claudia Harms ging der Arbeit wegen nach Hamburg. Doch die Sehnsucht nach der Elbe und dem vertrauten Leben in Tripkau blieb. Nach elf Jahren kehrte sie zurück, Homeoffice macht's möglich. Sie engagiert sich beim Karnevalsverein und ist Sprecherin der Feuerwehr. Im Moment hat sie gut zu tun, eine Brandserie fordert die Helfer immer wieder.

© Fotos: ca/privat


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