Lüneburg, am Donnerstag den 03.07.2025

Wenn es am Stintmarkt losgeht gehen die Streetworker nach Hause.

von Winfried Machel am 22.07.2022


Kümmern im Wasserviertel
Von heute an versuchen Streetworker ausgleichend eizugreifen, wenn es laut wird. Allerdings gehen sie um eins. meistens geht's dann erst richtig los

Von heute an greift das Prinzip Hoffnung: Im Wasserviertel soll es ruhiger werden, wenn Streetworker durch die Gassen streifen und mit denen ins Gespräch kommen wollen und sollen, die sich laute Musik hören oder sich daneben benehmen. Rechtlich hat die Stadt ihre Vorgaben über eine Allgemeinverfügung festgezurrt und die Regeln verlängert. Denn Plakate, die an der Straßen hängen und für ein rücksichtsvolles Miteinander zwischen Feierklientel und Anwohnern werben, sind zwar lustigbunt, aber wirkungslos.

Es wirkt ein bisschen wie der Nachhall der Wahlkampagne der heutigen Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch, die glaubte, das Phänomen mit gesprächsstarken "Nachtbürgermeistern" lösen zu können. Als sie im Amt war, kamen keine Nachtbürgermeister und sie selber laut Anwohnern auch nicht. Dafür kam die Polizei öfter, wenn sich Kontrahenten prügeln, oftmals betrunken. Diskussion ist dann eher weniger das Mittel der Wahl durch die eingesetzten Beamten.

Die Stadt setzt allerdings nicht auf eigene Leute aus dem Sozialbereich. Auf eine Anfrage heißt es aus dem Rathaus: "Wir haben kein städtisches Personal zur Verfügung, das wir für diese Aufgabe einsetzen könnten." Nun springt der Diakonieverband ein, der bereits im Auftrag der Stadt Mitarbeiter auf ein beruhigendes Wort in die Drogen- und Trinkerszene am Sand und im Clamartpark schickt. Mit diesem Ansatz habe man "sehr gute Erfahrungen" gemacht.

André Pluskwa zeichnet beim Lebensraum Diakonie für die Straßensozialarbeit verantwortlich. Er sagt: "Wir müssen Erfahrungswerte sammeln, die verschiedenen Gruppen kennenlernen, die unterwegs sind. Wie kann man mit wem umgehen?" Sprechen wollen er und seine Kollegen, die als Zweierteam losgehen, mit allen Beteiligten: Anwohnern, Wirten und eben den Gästen, die auf der Brücke tagen oder an den Spätkiosken und Imbissen Getränke und beispielsweise Döner kaufen.

Im Rathaus stellt man sich den respektvollen Umgang so vor: "Direkte präventionsorientierte Ansprache von Einzelpersonen und Gruppen bei entstehender Lärmbelästigung, Verunreinigungen, Spannung und Konflikten, bei drohenden Eskalationen Polizeiruf." Bei Pluskwa selber hört es sich etwas weniger direkt an: "Wichtig ist es, Eigengefährdung zu vermeiden. Wir sind überparteilich und wollen vermitteln. Wir sind nicht diejenigen, die Sanktionen aussprechen."

Polizeisprecherin Julia Westerhoff sagt dazu: "Wir waren in die Gespräche eingebunden. Wenn die Streetworker Unterstützung brauchen, sind wir auf Anforderung da. So wie sonst auch. Sie sind allein, ohne unsere Kollegen vor Ort."

Die Antworten aus dem Rathaus bleiben so auch vage, denn was ist, wenn die Streetworker nachts um eins auf betrunkene Jugendliche stoßen? In der ganzen Diskussion geht es ja vor allem um Schüler, die angeblich mangels Discotheken im Kneipenviertel und am Kreidebergsee feiern. Hier würden eigentlich die Vorgaben des Jugendschutzgesetzes greifen, Mitarbeiter des Jugendamtes müssten eingreifen und wären aufgrund ihrer Stellung dazu in der Lage. Die Beauftragten des Diakonieverbands könnten also nur die Polizei rufen. Die braucht, bis sie da ist. Ob die Jugendlichen so lange warten?

Zudem sollen die Streetworker laut Stadt lediglich durch die Gassen rund um den Stintmarkt gehen. Der Kreidebergsee, in Corona-Zeiten nachts noch beliebter geworden, ist nicht als Aufgabengebiet definiert.

Die Allgemeinverfügung schreibt in den Nächten freitags und sonnabends vor, dass zwischen 22 und 6 Uhr keine laute Musik abgespielt werden darf. Die Streetworker sind laut eigener und Aussage der Stadt zwischen 21 und 1 Uhr tätig. Anwohner berichten zudem, dass die Wummerboxen, das Zerschlagen von Flaschen und das Pinkeln an Wände und Türen in der Regel erst nach Mitternacht beginnt, wenn ein Teil des Publikums geschätzt weit mehr als ein Promille intus habe. Zeitlich gibt es also eine gewisse Diskrepanz.

Eine Anwohnerin, die seit langen Jahren im Viertel zu Hause ist, schildert: "An manchen Wochenenden ist es jetzt ruhiger geworden, generell geht es spät los. Außerdem verlagert es sich, wir haben auch montags und dienstags Lärm und Krach." Laue Sommernächte sind unabhängig des Wochentages lauschig an der Ilmenau.

Pluskwa bleibt genauso optimistisch wie die Pressestelle aus dem Büro der Oberbürgermeisterin. Der Satz aus dem Rathaus: „Der Einsatz von Streetworker:innen als niederschwelliges Angebot hat sich bei Konflikten in der Innenstadt in der Vergangenheit bewährt.“ Es gehe dabei in erster Linie um Prävention, also darum, Situationen zu entschärfen, damit sie möglichst gar nicht erst eskalierten. Pluskwa glaubt: "Nach meinen Erfahrungen lassen sich auch größere Gruppen beeinflussen." Die Hoffnung bleibt.
Carlo Eggeling
Die Fotos (ca) stammen aus dem vergangenen Jahr von der Kaufhausbrücke.

© Fotos: Carlo Eggeling


Kommentare Kommentare


Zu diesem Artikel wurden bisher keine Kommentare abgegeben.



Kommentar posten Kommentar posten

Ihr Name*:

Ihre E-Mailadresse*:
Bleibt geheim und wird nicht angezeigt

Ihr Kommentar:



Lüneburg Aktuell auf Facebook