Lüneburg, am Samstag den 13.09.2025

Wenn sich jeder lobt, gibt es nichts Negatives

von Carlo Eggeling am 13.09.2025


Meine Woche
Wer Tränen lacht, weint weniger

Lüneburg ist verlässlich. Wenn man das Leben leicht nimmt, gibt es einiges zu lachen. Alle freuen sich über das endlich eröffnete Gradierwerk. Am lautesten die, die vor drei Jahren so gar keine Möglichkeit sahen, den maroden Sole-Befeuchter im Kurpark zügig zu sanieren. Die Stadtverwaltung war unpässlich, SaLü-Geschäftsführer Dirk Günther barmte, die wirtschaftliche Lage sei soooo schlecht. Vergessen war irgendwie, dass die Kurmittel GmbH das Bauwerk einst übernommen hatte mit dem satten finanziellen Geschenk, Dividenden aus städtischen Anteilen des Energieversorgers Avacon zu nutzen. Eine Millionensumme jedes Jahr. Und es war absehbar, dass alle zwanzig Jahre eine Sanierung ansteht.

Vor drei Jahren war es die doofe SPD, die in die Suppe spuckte und einen Antrag stellte: "Wenn nicht bald erste Sanierungsschritte eingeleitet werden, wird auch das 'Skelett' des Gradierwerks nicht mehr zu retten sein und muss abgerissen werden. Damit droht eines der letzten Zeugnisse aus der Geschichte Lüneburgs als Sol- und Moorbad endgültig zu verschwinden." Egal, jetzt durfte die SPD immerhin ein paar Fotos machen. Die Oberbürgermeisterin, der SaLü-Chef und der Avacon-Vertreter zeigen sich im Video. Wie schön. Man weiß, Erfolge zu feiern. Deshalb weiß es die Pressemitteilung der Stadt besser als Archive: "Politik und Verwaltung machten sich seit 2022 dafür stark, das Gradierwerk, das im Besitz der Kurzentrum Lüneburg Kurmittel GmbH ist, zu sanieren." Wahrheiten sind immer relativ.

So geht es einem auch mit einer Studie, welche die Lüneburg Marketing GmbH (LMG) in Auftrag gegeben hatte und die -- ein Jahr vor der Kommunalwahl -- zu dem Schluss kommt: Lüneburg ist ganz toll als Arbeitsstandort. "In der Umfrage bewertet mehr als die Hälfte der Teilnehmenden Lüneburg als ‚guten‘ oder ‚sehr guten‘ Arbeitsstandort. Als besondere Vorteile werden die attraktive Lage, die gute Verkehrsanbindung und die hohe Lebensqualität benannt. Geschätzt wird darüber hinaus laut der Befragten die Unternehmensvielfalt in der Hansestadt, die Familienfreundlichkeit und das Vorhandensein vieler inhabergeführter Unternehmen."

Dass lediglich 500 Leute in Stadt und Kreis sowie in den umliegenden Kreisen befragt wurden, ist sicher Nebensache. Reichlich 180 000 Einwohner im Lüneburger Land, das Umland dazu, 400 000, 500 000 Menschen? Der Wirtschaft geht's prima, ist die Botschaft. Die Archiv-Funktion ist bestimmt kaputt: Jungheinrich will 300 Jobs streichen, Panasonic hat bereits 100 wegfallen lassen, das Eisenwerk ist dicht, 50 leerstehende Geschäfte in der Innenstadt. Zumindest da geht es aufwärts. Im Minus.

LMG-Chefin Melanie-Gitte Lansmann, die das Ganze über einen Verbund von Geschäftsleuten finanzieren lässt und mit ihrem Team eigentlich etwas gegen die vielen leeren Läden tun sollte, belegt mit ihrer Studie sicher ganz zufällig, wie gut sie arbeitet. Da lächelt man zufrieden.

Die Oberbürgermeisterin weiß, was Erfolge sind, sie zeichnet dafür sozusagen verantwortlich als Facebook-Instagram-Gute-Laune-Botschafterin: „Die Studie bestätigt, dass Lüneburg als Arbeitsort viel zu bieten hat – von Lebensqualität bis hin zu starken Unternehmen in der Region. Gleichzeitig zeigt sie auch klar, wo wir als Stadt gemeinsam mit den Arbeitgebern weiter ansetzen müssen, um Lüneburg noch attraktiver für Fachkräfte zu machen.“

Dann gab es die Veranstaltung des LCM, der Handelsorganisation Lüneburgs. In der Zeitung habe ich gelesen, LCM-Ewig-Chef Heiko Meyer habe den Wahlkampf eröffnet, weil er die augenscheinlich zunehmende Verelendung in der City zum Thema machte. Meyer, der als möglicher parteiloser OB-Kandidat im Spiel ist, hatte die Bühne vor vier, fünf Jahren ähnlich genutzt und eine Bewerbungsrede gehalten. Weiß übrigens ein Archiv.

Die geforderte harte Hand wird die Innenstadt nicht leerfegen von denen, die trinken, die laut sind und nicht gefällig ins Rote-Rosen-Puppenstuben-Bild passen. Konsequenz, Regeln anzuwenden, und Sozialarbeit müssten sich ergänzen. Dazu braucht es mehr als Arbeitskreise und Gesprächsrunden, von den OB und Sozialressort in Dauerschleife reden. Konkrete soziale Angebote fehlen, obwohl seit Jahren angekündigt. Wo die bleiben, beantwortet die Verwaltungschefin nicht.

Die Oberbürgermeisterin, die trotz eines übervollen Terminkalenders, Zeit für viele Selfies und Fotos auf offiziellen vom Bürger bezahlten Publikationen des Rathauses findet, meint, man solle mal anerkennen, was es gibt: "Ein Schlechtreden ist echt schlecht“, sagte Kalisch. In ihrer Rede, deren Aufzeichnung mir ein Kollege überlassen hat, fällt der Satz, Polizei und Streetworker verträten die Auffassung, „eine skandalisierte Geschichte in den Medien macht oft die Arbeit eines halben Jahres kaputt“.

Der Bote hat schuld, köpft ihn. Denn wo bleiben die Beispiele der eigentlich gelungenen Lebensgeschichten, die durch Berichte in den Medien gemein zerbrachen? Denkt die Oberbürgermeisterin bei sozialem Handeln an Schicksale in der Unterkunft in Rettmer, in der die Sozialarbeiterin erzählt, es gebe weniger Randale, weil die, die sich nicht einpassen können oder wollen, derzeit „Urlaub in der JVA machen“? Sorry, bloß nichts schlechtreden, das ist schlecht. Lieber lächeln.

Wahlkampf. Na klar, den erleben wir, selbst wenn es keine OB-Kandidaten gibt. SPD und CDU kassieren Absagen, ist aus den Parteien zu hören. Von den Grünen, die mir eigentlich nicht einmal guten Tag sagen, höre ich, dass ihre amtierende Spitzenkandidatin samt der Fraktion es nicht schön finden, dass der CDU-Stadtverband nicht mit ihnen zusammenarbeiten will. Das sei ein einstimmiger Beschluss gewesen, sagt Vorsitzender Heiko Eggers. Es gehe nicht an, dass die Oberbürgermeisterin in ihrem Amt mit Demonstranten über die Ostumgehung radelt und gegen den Ausbau der Autobahn Stellung bezieht. Die A39 werde gebraucht. Gleichzeitig – da wundert man sich nicht nur bei den Schwarzen -- präsentiert sich die Rathauschefin auf Bildern und Beiträgen für den Ausbau des Gewerbegebiets Bilmer Berg -- das kommt, weil die Autobahn kommen soll. Nun ja, grüne Politik ist pragmatisch. Wer einst gegen Rüstung war, kennt heute jede Haubitze persönlich.

Bilmer Berg, wir erinnern uns, da muss die Unterkunft für Menschen in Not weichen, weil Baustellenkrach fürs Gewerbegebiet und die Planung der Autobahn zu belastend seien. Blöd allerdings, dass die Stadt die Holzhütten bis in den September kommenden Jahres gemietet hat. Ich hatte zweimal nachgefragt, was es denn kostet, denn der Vermieter dürfte dem Rathaus kaum die Miete erlassen. Zumindest nicht ohne Gegenleistung. Die aktuelle Antwort aus dem Rathaus ist ein schönes Beispiel für die Transparenz, die das Rathaus so gern leben will: "Der Verwaltungsausschuss der Hansestadt Lüneburg hat die Verwaltung mit Beschluss vom 26. August 2025 beauftragt, Verhandlungen zur Aufhebung des Mietvertrags für die Mobilheime zu führen. Diese Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Zu Vertragsinhalten sowie zu laufenden Verhandlungen kann die Hansestadt aus Gründen der Vertraulichkeit keine Auskunft geben."

Da es um Steuergeld geht, dürfte die Öffentlichkeit durchaus einen Anspruch haben, zu erfahren, was die möglicherweise nicht so gute Planung der Verwaltung kostet, denn parallel mietet die Stadt Räume der Uni im Roten Feld an, um -- wir ahnen es -- Flüchtlinge unterzubringen. Wir denken an die leere Schatulle im Rathaus.

Hatten wir nicht einen Minus-Haushalt? Hatte der Kämmerer mit CDU-Parteibuch nicht 6,5 Millionen einsparen wollen? Also neben dem anderen Dutzende-Millionen-Minus. Bleiben wir positiv, reden nichts schlecht. Finanzminister Matthias Rink weiß mit Zahlen umzugehen.

Finden auch Christdemokraten. Ein wichtiger CDU-Mann hat sehr gelacht, als er mir von der Etat-Inszenierung des Sommers erzählte. Erst Alarm-Mail an Ratsmitglieder der Oberbürgermeisterin, dann eine von der Opposition beantragte Krisensitzung, auf der der seinen Urlaub abbrechende Rink erklärte, die Führung habe die Lage im Griff. Aktuell nun: alles erledigt, was regt ihr euch auf?

Zahlenspiele. Denn der Landkreis müsste der Stadt mit Millionen-Entlastung entgegenkommen, warum sollte der das bei bestehenden Verträgen tun? Selbst in Rinks Partei lacht man. Ungläubig.

Nicht schlecht reden, daran halten wir uns. Wir sollten es positiv sehen: Wer Tränen lacht, muss weniger weinen.

Ich fahre jetzt zu einem ewigen Kumpel zur Hochzeit. Die beiden sind ein großes Glück. Wir werden viel lachen. Wer kann diese Welt ernst nehmen? Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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