Lüneburg, am Sonntag den 23.11.2025

Wer Dividenden einfährt oder auch nicht

von Carlo Eggeling am 22.11.2025


Meine Woche

Faktisch gefühlt



Ich habe im Ausschuss für Gefahrenabwehr ein tolles Wort gehört. Friedensdividende. Nach Kaltem Krieg und Wiedervereinigung gab das Land weniger für Verteidigung aus, hatte also mehr Geld für andere Dinge. Eigentlich wunderbar. Man könnte sich fragen, warum Brücken, Schulen, Eisenbahn und Energieversorgung 35 Jahre später in so einem Zustand sind, wie sie sind. Mir fällt der lebensfrohe englische Fußballer George Best ein: "Ich habe viel Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben. Den Rest habe ich einfach verprasst." Na ja, irgendwas ist immer.


Scheusale wie Putin, Trump und andere verstehen Frieden und Dividende eher wie die organisierte Kriminalität, nämlich den Schwachen nehmen und sich mit Gewalt und Erpressung die Taschen füllen. Es kommt selbst in der Provinz an, dass man sich im Zweifel wehren sollte.


Im Ausschuss erzählte eine Mitarbeiterin des Landkreises, was alles bedacht werden müsse. Zum Beispiel, wer wo eingesetzt wird: Wie ist das, wenn ein Verwaltungsmensch bei der Feuerwehr ist, was hat in der Krise Vorrang, Job oder Ehrenamt? Ausreichend Treibstoff bunkern. Da will die Energiewende bedacht sein: Die Polizei, so sagte es ein Hauptkommissar, lässt vom kommenden Jahr an alle Streifenwagen elektrisch rollen. Der Reservekanister nutzt nix. Blöd, wenn die Staatsmacht plötzlich antriebslos ist.


Am Rande war noch zu erfahren, dass das einstige Hilfskrankenhaus unterm Schulzentrum Oedeme vielleicht wieder Teil der zivilen Verteidigung werden könnte. Wasser- und Luftversorgung funktionieren nicht mehr, medizinisches Gerät ist lange weg. Unter anderem nutzen Museen den Bunker als Lager. Die müssten laut Vortrag nun mit einer Kündigung rechnen. Wieder fragt man sich, wer die Dividende einstreicht: Kunstschätze müssten laut der Kreis-Frau gesichert werden, wo ist unklar; der Bunker böte sich an. Aber der Unterstand könnte eventuell zum Spital mutieren.


Wie gut, dass niemand die Betonklötze unter der ESK-Brücke zwischen Erbstorf und Scharnebeck abgebaut hat. So könnte im schlimmsten Fall der Plan aus kalten Zeiten greifen: Umstürzen als Sperre, und Schluss ist mit dem Vormarsch von Panzern. Bestimmt. Ansonsten hoffe ich auf die richtigen Konzept-Formulare, wenn es ernst werden sollte. Hat der Landkreis, ganz sicher wie bei der Arena.


Wer derart gewappnet ist, den macht die Lage in der Lüneburger Innenstadt nicht bange. Laut Dezernent Markus Moßmann "funktioniert das Nebeneinander der Gruppen" am Sand, es gebe nicht ständig Bambule. Kommunaler Ordnungsdienst und Sozialarbeiter arbeiteten erfolgreich. Gemeinsame Streifen, die die CDU anregte, seien nicht zielführend: Die Klientel, deren Wohnzimmer die Straße ist, würde von Uniformträgern erschreckt und könnte Vertrauen verlieren.


Kann sein. Alte Kobs, die in der Innenstadt Streife gelaufen sind, erzählen, dass sie bestens mit der berauschten Szene ins Gespräch kamen. Und dass sie durchaus Ansagen machen konnten. Aber kippte bestimmt im vergangenen Jahr, völlig neue Drogis und Schluckspechte, oder aber -- das mag man gar nicht denken -- die Kollegen des Ordnungsamtes schaffen es nicht, Vertrauen aufzubauen.


Vertrauen sollten wir auch in Sozialdezernentin Gabriele Scholz setzen. Die hat im Sozialausschuss gesagt, sie arbeite an einem Treffpunkt für die Szene. Die Drogenberatungsstelle als Teil des Diakonieverbands mit der Ausarbeitung eines Konzepts zu beauftragen, wie von der SPD gefordert, sei nicht nötig. Eher eine unbotmäßige Forderung.


Frau Scholz hört sicher, was aus Mosaique und katholischer Gemeinde zu hören ist, die werden zu Anlaufpunkten, wenn sie beispielsweise Mittagstisch anbieten. Das spricht für einen gewissen Bedarf und -- ist nur Gefühl -- dafür, dass mutmaßlich ein paar dieser verteufelten Sozial-Container im Clamartpark oder am Lambertiplatz ein anziehendes Angebot sein könnten. Wer will Fachverstand infrage stellen? Was sind drei Jahre Warten, wenn die Verwaltung nachdenkt, wie sie nach eigener Auffassung ureigenste Aufgaben erledigt? Die Toiletten im Rathaus brauchten acht Jahre. Sind gut geworden.


Wenn man an Runden Tischen Zuversicht vermittelt, ist das sehr schön. Das schenkt Vertrauen, also am Runden Tisch. Unbestritten dürfte sein, dass ein gewisses Unwohlsein herrscht. Gefühle entscheiden Wahlen. Haben wir kommendes Jahr.


Neulich hat die Linke Marianne Esders im Rat die Verwaltung gefragt, wie viele Anfragen und Aufträge der Rat ans Rathaus gerichtet hat. Der Rat ist der Auftraggeber der Verwaltung und ihr Kontrollorgan. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber wenn mein Chef fragte, was seine Aufträge so machen, war ein Antwort ungemein hilfreich. In einer Verwaltung, denkt man, ist alles ordentlich verbucht.


Denkste, antworten Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch und ihre Führungscrew: "Zur Beantwortung der vorliegenden Anfrage ist eine umfassende Durchsicht aller Protokolle der beschlussfassenden Gremien seit der konstituierenden Ratssitzung am 25.11.2021 notwendig. Die zusätzliche Zusammenstellung und Prüfung bedeutet insgesamt einen erheblichen Aufwand, der von anderer Stelle genommen werden müsste. Dies ist aktuell nicht vertretbar."


Man könnte auf die Idee kommen, die Verwaltungsspitze sei nicht ganz auf Höhe der Zeit. Oder ihr ist es schnuppe, wenn Themen versanden. Schließlich hat man genug zu tun. Zum Beispiel ein Konzept entwickeln.


Wieder nur ein Gefühl, denn faktisch ist sicher alles anders. Ich habe mal wieder "Fehlfarben" gehört, die hatten 1980 ein schönes Lied: "Keine Atempause. Geschichte wird gemacht. Das geht voran!"


Wohin? Da bleibt das Leitwort der Verwaltungschefin: Zuversicht. Wochenende. Das wird gut. Ich bin zuversichtlich. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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