Lüneburg, am Mittwoch den 24.09.2025

Wie der Bauausschuss das Bauprojekt Schanzenweg auch diskutieren könnte

von Carlo Eggeling am 24.09.2025


Formale Fragen wirken auf den ersten Blick langweilig, aber mit einer Tagesordnung kann man ein Thema klein halten, sagen langjährige Begleiter der Lokalpolitik. Am Montagnachmittag geht es im Bauausschuss um das Bauvorhaben am Schanzenweg, Rund 100 Wohnungen möchte ein Investor dort hochziehen. Ohne eine Anwohnerversammlung hat die Stadt dem Projekt eine Baugenehmigung erteilt. Das hat eine neue Qualität, denn vor Jahren war eine Bürgerbeteiligung bei größeren Projekten selbstverständlich. Nun haben Bürger die Möglichkeit, im Ausschuss "Einwohnendenfragen" zu stellen. Sie haben sicher einige, denn der Komplex soll einen Steinwurf entfernt vom senkungsgeplagten Ochtmisser Kirchsteig hochgezogen werden. Anwohner haben Sorge, dass ihre Häuser Schaden nehmen könnten, sie fühlen sich von der Stadt in ihren Befürchtungen nicht ausreichend gesehen.

Bauausschussvorsitzender Jens-Peter Schultz und Baurätin Heike Gundermann, die den Ablauf der Sitzung planen und festlegen, haben offensichtlich erkannt, dass das Interesse groß sein dürfte und haben die Sitzung daher ins Kulturforum Wienebüttel verlegt -- ein Rathaussaal könnte zu klein sein. Die Tagesordnung sieht so aus: Bürger können fragen, es folgt ein mündlichen Vortrag der Verwaltung zum Schanzenweg, sechs weitere Punkte nennt die Tagesordnung, bis schließlich ein SPD-Antrag behandelt werden soll, der ein Moratorium fordert, also einen Stopp der Planungen und des Projekts, bis offene Fragen geklärt sind. Wäre denkbar, dass Interessierte den Saal bereits verlassen haben, wenn die Sozialdemokraten sich zu Wort melden.

Politik-Begleiter erkennen darin das Ziel, Bürgerprotest im Ausschuss ins Leere laufen zu lassen. Ein anderer Ablauf würde für Anwohner sehr viel mehr Sinn machen, finden Verwaltungskenner: Bürger und selbstverständlich auch die SPD sollten sich um eine Änderung bemühen. Also ein Antrag, die Tagesordnung zu ändern: Zuerst trägt die Verwaltung vor, es folgt der SPD-Antrag und danach die Bürgerfragen, die sich nicht auf eine halbe Stunde begrenzen lassen.

Der Vorteil für die Nachbarn liegt auf der Hand: Sie hören den Sachstand der Bauabteilung, sie wissen, was die SPD, deren Antrag sich der Bedenken annimmt, sich vorstellt, und können Fragen eben an diesen Sachstand anpassen. Kann eigentlich nur im Sinne der Verwaltung sein, die oft betont, auf Transparenz und Bürgerbeteiligung zu setzen, um den besten Sachstand zu vermitteln.

Ob so eine Änderung des Tagesordnung möglich ist? Nachfrage bei Heiko Dörbaum, ehemaliger Ratspolitiker, der lange Jahre Vorsitzender des Bauausschusses war. Antwort: Ja, das geht. Man müsse einen entsprechenden Antrag in der Sitzung stellen, so kann der Ausschuss den Ablauf entsprechend ändern. Die anderen stimmberechtigten Mitglieder müssten dem zustimmen. Aber warum sollten bürgernahe Parteien ablehnen, bürgernah zu entscheiden?

Falls Ausschussvorsitzender Schultz Fragen zum Procedere hat, könnte er Dörbaum anrufen -- beide sind Sozialdemokraten, da hilft man sich sicher gern. Das Publikum kann am Montag, 29. September, von 15 Uhr an im Kulturforum zuhören.

Am Freitag verhandelt das Verwaltungsgericht über eine Einwendung eines Anwohners gegen eine Bauvoranfrage zum Schanzenweg. Möglicherweise beschert das Verfahren neue Aspekte.

Andreas Meihsies, ehemaliger Ratsherr der Grünen und Anwohner am Ochtmisser Kirchsteig, hat ein Thema zu den Senkungen aufgegriffen. Der Mainzer Geologie-Professor Frank Sirocko, gebürtiger Lüneburger, sieht einen Zusammenhang zwischen Bodenbewegungen und der Soleentnahme des SaLü für das Wellenbad. Er hat die Stadt mit Hinweise auf eine entsprechende Rechtslage aufgefordert, Entnahmeprotokolle vorzulegen, damit sie wissenschaftlich ausgewertet werden können.

Der Chef der Kurmittel GmbH und damit des SaLü hatte auf eine Anfrage von Lüneburg aktuell erklärt, ein Gutachten des Landesbergbauamtes habe einen Zusammenhang verneint. Zudem unterschreite das Bad die erlaubten Entnahmemengen deutlich.

Ungewöhnlicherweise hat die Stadt zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit eine Mitteilung an die Presse versandt, die ihre Auffassung zur Rechtslage darlegt. So ein Vorgehen, zudem auch ein Video der Stadtbaurätin Gundermann am Schanzenweg zählt, hat es in den Jahren zuvor so eher selten bis nie gegeben. Carlo Eggeling


Die Erklärung der Stadt:

Was ist ein Senkungsgebiet?

Ein Senkungsgebiet ist ein Bereich, in dem es aufgrund geologischer Prozesse im Untergrund zu Bodenbewegungen an der Oberfläche kommen kann. Ursachen können zum Beispiel alte Bergbauaktivitäten oder natürliche Bodenverhältnisse sein. Im Lüneburger Senkungsgebiet entstehen Absenkungen durch Ausspülungen im Salzstock. Dieser befindet sich - je nach Position - 30 bis 70 Meter tief unter der Oberfläche. In Senkungsbieten kann es aufgrund von Bodenbewegungen oberirdisch zu Erdfällen kommen.



Was ist ein Erdfall und wie oft gibt es diese in Lüneburg?

Wenn im Untergrund Hohlräume entstehen, z.B. durch das Ausspülen von Salz, kann Erde nachsacken und oberirdisch entsteht ein Krater. Erdfälle ereignen sich in Lüneburg immer seltener – den letzten gab es vor 9 Jahren (2016 am Ochtmisser Kirchsteig), davor gab es zwei Vorfälle im Jahr 2006 (ebenfalls am Ochtmisser Kirchsteig).



Welche Auswirkungen hat "Senkungsgeschehen" auf die Bebauung?

Durch Bodenbewegungen oder punktuelle Erdfälle können Schäden an Gebäuden entstehen, etwa Risse in Wänden, Schiefstellungen oder Belastungen für Leitungen und Kanäle. Deshalb gelten für Bauvorhaben in solchen Gebieten besondere Regeln.



Warum darf im Senkungsgebiet überhaupt neu gebaut werden?

Bauen im Senkungsgebiet ist grundsätzlich möglich. Grundstückseigentümer:innen haben hier – genau wie an anderer Stelle auch – ein Recht, bauen zu können, wenn entsprechende Gutachten vorliegen und technische Anforderungen eingehalten werden, so das Gebäude und Infrastruktur vor möglichen Schäden geschützt sind.


Welche speziellen Vorgaben gibt es beim Bauen im Senkungsgebiet?

Das hängt von dem konkreten Gebiet ab und wie dort das Senkungsgeschehen ist. Häufig sind im Vorfeld spezielle Gutachten zur Bodenbeschaffenheit vorzulegen. Diese zeigen, wie stark Absenkungen zu erwarten sind und welche Maßnahmen für ein sicheres Bauen nötig sind. Die Hansestadt empfiehlt außerdem bei Bauvorhaben im Senkungsgebiet, einen Sachverständigen für Geotechnik zur Beratung des Vorhabens und zur Erstellung eines Baugrundgutachtens einzubeziehen.

Im aktuellen Fall beim Baugebiet im Schanzenweg ist ein geotechnisches Gutachten Voraussetzung für eine Baugenehmigung gewesen. Dieses Gutachten gibt Auskunft darüber, unter welchen Bedingungen gefahrlos gebaut werden kann.


In Bereichen, in denen es potentiell zu Erdfällen kommen kann, schreibt die Bauaufsicht außerdem eine Erdfallberechnung vor. Diese soll gewährleisten, dass Hausbewohnende sicher das Haus verlassen können. Sprich: Die Gründung des Hauses muss so berechnet werden, dass ein punktueller Erdfall übergangsweise überbrückt werden kann.



Empfohlen wird außerdem, Vorrichtungen zu installieren, mit denen das Haus bei Erdbewegungen geradegerichtet werden kann. Leitungen (zum Beispiel für Wasser, Abwasser, Gas) müssen in Senkungsgebieten so verlegt werden, dass sie Bodenbewegungen aufnehmen können.

Gefährdet ein Neubau benachbarte Häuser – durch das Auftreten von neuen Senkungen?

Senkungen entstehen, wenn Salz ausgespült wird und die entstehenden Poren sich durch nachsackende Erdschichten schließen. Dieser Prozess kann theoretisch durch eine erhöhte Last auf dem Boden beschleunigt werden.

Allerdings entsteht durch einen Neubau in der Regel keine gravierende zusätzliche Belastung auf dem Erdboden.

Das hat zwei Gründe. Zum einen wird beim Bau eines neuen Hauses in der Regel eine Unterkellerung ausgeführt. Hierdurch kommt es in der Bauphase lastentechnisch zuerst zu einer Entlastung des Bodens - aufgrund der Entnahme von Boden. Da anschließend der neue Hohlraum üblicherweise nicht vollgefüllt wird, sondern ein Bausystem von Sohlplatten/Decken und Wänden skelettartig entsteht, ist die zusätzliche Auflast oftmals nur geringfügig höher als die vorher vorhandene Bodenlast. Die Gründung wird vom Bauherren beauftragten Tragwerkplaner berechnet. Ggf. sind besondere Erkundungsverfahren (z.B. Drucksondierungen) auszuführen, um festzustellen, wie höhere Lasten in der Tiefe vom Baugrund aufgenommen werden können.

Hinzu kommt, dass das Gewicht des Erdreiches, dass über dem 30 bis70 Meter tiefen Salzstock liegt, so hoch ist, dass ein zusätzliches Gewicht durch Bebauungen sich verhältnismäßig sehr gering auf die Gesamtlast auswirken kann.

Fazit: Ausspülungen und Senkungen sind generell fortschreitende Prozesse. Sie werden durch einen Neubau in der Regel nicht beschleunigt, wenn entsprechende Vorgaben im Bau erfüllt sind (s.o.).


Wer haftet im Schadensfall?

Wenn es im Zuge der Baumaßnahme zu Schäden an benachbarten Häusern kommt, ist das eine zivilrechtliche Frage, die das Gericht zu klären hat. Die Stadt empfiehlt Bauherren im Senkungsgebiet, eine Beweissicherung vor dem Bau durchzuführen. Vorschreiben kann die Hansestadt dies nicht.

Das heißt: Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens wird nicht geprüft, ob die Bauherrin oder der Bauherr etwaige privatrechtliche Schadensersatzansprüche erfüllen kann. Das sind zivilrechtliche Fragen. Das bedeutet auch, dass Nachbarn natürlich unabhängig von einer erteilten Baugenehmigung zivilrechtliche Ansprüche geltend machen können.

Wer hilft mir bei Fragen weiter?

Für Genehmigungen und Vorgaben ist die Bauaufsicht der Hansestadt Ansprechpartnerin.



Für Boden- und Gründungsfragen sind Fachgutachter:innen für Geotechnik zuständig.

© Fotos: ca


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