Wiedergänger und Wiederholung
von Carlo Eggeling am 01.03.2025Meine Woche
Bürger. Beteiligt?
Bürgerbeteiligung ist eine dolle Sache. In der Zeitung habe ich ein langes Stück dazu gelesen, was die Stadt alles macht, leider mit der nüchternen Bilanz: Es wird viel geredet, aber umsetzen können wir es nicht. Zum einen spiele die ignorante Politik nicht mit wie gewünscht, zum anderen mangle es an Geld. Die Oberbürgermeisterin wird zitiert: "Wir kennen ja unsere Beteiligungselite. Aber die, die am lautesten schreien, haben nicht immer die beste Perspektive." Deshalb schätze sie das Konstrukt des Bürgerrates. „Wenn es nach mir ginge, hätten wir zwei Bürgerräte pro Jahr."
Nun stellt sich die Frage: Wer schreit herum? Meint sie Verbände, die den Grünen nahestehen, meint sie Kritiker aus Handel, Wirtschaft und anderen Parteien? Wer schreit das Falsche?
Bürgerräte. Klasse. Wie beim holzschutzmittelverseuchten Glockenhaus, bei dem die Benutzungsordnung seit Jahren sagt, da solle man sich nicht länger als zwei Stunden aufhalten -- Gesundheitsgefahr. Bürgerrat. Hat 25 000 Euro gekostet, plus das Gehalt der Mitarbeiter der Verwaltung, und es kostet Motivation, wenn am Ende nix Gescheites passieren kann. Woher sollen angesichts eines Millionenminus im Haushalt plötzlich Millionen für die Sanierung kommen?
Die Frage, die übrigens niemand in der von der Uni organisierten Runde stellte, ob es einen Rat überhaupt braucht, da der Stadtrat als solcher die Vertretung der Bürger ist, trieb offenbar keinen um. Schön, dass wir mal drüber geredet haben.
Schön auch, dass wir in derselben Ausgabe von Bürgerformaten für Neu Hagen lesen dürfen. Mit großem Aufriss samt studentischer Beteiligung soll nun unter anderem eine Sitzgruppe aufgestellt werden. Die heißt dort nicht Grüne Oase oder Parkbank an der Ecke, sondern Parklet. Holzbank mit Pflanzkübel. Allerdings ist gar nicht klar, ob die Kuschelecke an der Keplerstraße einen Platz findet, denn die Stadt fordert einen, der dafür Verantwortung übernimmt. Aha, Uni und Studenten winken ab.
Nun saßen in der Diskussionsrunde der Stadtteilmanager und die Beauftragte für Bürgerbeteiligung. Beide auf der Gehaltsliste des Rathauses, warum klärt das Duo die Frage nicht, bevor die Bretter zusammengeschraubt sind? Was ist, wenn das Konstrukt am Ende gar nicht kommen darf? Da wurde der Bürger mal echt beteiligt.
Gucken wir auf die Wahl. Die AfD ist kein Phänomen des Ostens, in einigen Stimmbezirken zwischen Dahlenburg und Bleckede und in Kaltenmoor macht jeder vierte sein Kreuz bei der Partei, in der sich auch Halb- und Dreiviertel-Faschisten wohl fühlen. Man darf gespannt sein, wie es bei den Kommunalwahlen im Herbst nächsten Jahres weitergeht. Da wäre es ja fein, wenn die sogenannten Altparteien es schafften, ihren Wählern wirkliche Alternativen zu bieten.
Ein bisschen rumtelefonieren, Parteien besuchen. Im Landkreis hat die CDU bewiesen, dass sie mit Marco Schulze vorn liegt und liegen kann, in der Stadt hat der Sozi Jakob Blankenburg den Sieg eingefahren. Auch wenn Schulze meint, das habe an einer linken Kampagne gelegen, die empfahl, den Sozialdemokraten zu wählen und den Schwarzen daher den Triumph kostete, zeigt sich klar: SPD und Linke, die 14 Prozent machten, können hier punkten. Dann kommen noch die Grünen dazu, die unter anderem durch die Uni und ihr Umfeld dauerhaft bei reichlich zwanzig Prozent liegen. Übrigens: Taktische Wahlempfehlungen gab es anderswo und in der Vergangenheit ebenfalls.
Bei dieser Konstellation stellt sich die Frage, wen stellen die SPD und CDU bei Landrats- und Oberbürgermeisterwahl auf. Namen kursieren seit langem. Die Aspiranten für die Stadt winken ab: Nur mit ihrer Partei würden sie es nicht schaffen. Warum sollte man sich aus einem guten Job an der Spitze einer Umlandgemeinde in ein Wagnis stürzen? Die Parteien wären gefordert, gutdotierte Jobs in Hannover als Versicherung anzubieten.
Sowohl in SPD und CDU blickt man intern aufs eigene Personal und auf die Fraktionen und kommt zum Schluss, Attacke und Taktik haben sich lange schlafen gelegt. Kuschelig der eine, selbstverliebt der andere, im Kleinklein gefangen viele. Innovativ kaum einer. Also wollen die Strategen im Hintergrund neue Mann- und Frauschaften aufbauen. Teams, die sowohl Kreis- als auch Stadtpolitik im Blick haben, dazu die Landesebene. Hoffentlich entwickeln sie eine Vision zur Frage, wohin will die Region überhaupt in den kommenden zehn Jahren?
Ein Szenario: ein gemeinsamer Kandidat zumindest für die Stadt. Gespräche habe es gegeben, heißt es von mehreren Akteuren. Das Ergebnis scheint eher mau. Siehe oben.
Damit kommt Heiko Meyer ins Spiel. Der war vergangenes Mal als Parteiloser gestartet, hatte trotz überschaubarer Inhalte die Konkurrenz-Frauen von CDU und SPD hinter sich gelassen und ging mit Claudia Kalisch ins Finale. Er verlor, doch sein Ergebnis war beachtlich.
Meyer, Vorsitzender der Handelsorganisation LCM, taucht überall auf, selbstverständlich auf den Wahlpartys. Bei Fototerminen ist er fast so fleißig wie die Oberbürgermeisterin. Er selber lächelt auf die Frage gern, ob er noch einmal antreten wolle.
Tja, aber wenn Rote und Schwarze keinen haben, schicken sie den Kumpeltyp, der mit allen kann, ins Rennen? Trotz massiver Zweifel an der Kompetenz? Einige glauben, sie könnten dann steuern. Könnte daneben gehen.
Claudia Kalisch hat angekündigt, sie würde gern im Rathaus bleiben. Erreicht hat sie selbst aus Sicht ihrer Anhänger wenig, aber sie schafft es stets, dafür andere verantwortlich zu machen. Grüne Fans zeigen, dass sie in Treue fest ihr Kreuz bei der Partei machen -- trotz magerer Ergebnisse in Sachen Mobilität, Wohnen, neuem Antlitz des Marienplatzes und des Umbaus der Verwaltung.
Hoffentlich wird das Lüneburger Land wieder politischer, so mobilisiert wie im Wahlkampf. Kreistag und Stadtrat wären Bühnen, Themen gibt es genug: eine ausblutende Innenstadt, vergammelte Blocks in Kaltenmoor, Betriebe, die arg kämpfen müssen, Baustellen, die so schlecht koordiniert sind, dass sie der Stadt nicht gerade guttun und und und. All das wäre bürgernah -- statt Beteiligungsgedöns ohne Ergebnis, ohne flammende Reden des Bedauerns. Wäre eine echte Alternative, um die zu erreichen, die sich abwenden und ihre Stimme denen geben, die keine Alternative zu bieten haben, sondern nur Pöbeleien und schlechte Laune.
Karneval all überall. Da darf man lustig sein. Es hilft Erich Kästner: "Humor ist der Regenschirm der Weisen." Carlo Eggeling
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