Wir lassen uns die Stimmung nicht vermiesen
von Carlo Eggeling am 06.07.2025Meine Woche
Schlechte Stimmung? Nö, Sommerlaune
Angesichts des desaströsen Haushalts verhängt die Stadt eine Haushaltssperre. Die Oberbürgermeisterin und ihr Finanzminister haben eine Mail an Ratsmitglieder geschickt, ich habe sie von mehreren Parteien erhalten.
Inhalt: "Im Rahmen der Haushaltsplanung haben Politik und Verwaltung bereits gemeinsam eine hauswirtschaftliche Sperre von 6,5 Mio.€ für das Jahr 2025 beschlossen.
• Ich habe das Haus dazu ermahnt und verfügt, diese zwingend zu erwirtschaften.
Zusätzlich dazu gelten ab sofort folgende personalwirtschaftliche Maßnahmen:
• Vakante Stellen werden für die Dauer von 6 Monaten nicht wiederbesetzt.
• Befristete Arbeitsverträge werden grundsätzlich vorerst nicht weiter verlängert. Ausnahmen von diesen Regelungen sind nur mit Begründung nach gesonderter Einzelfallprüfung durch Herrn Rink oder mich zu treffen.
• Darüber hinaus wird die Hansestadt keine neuen bzw. zusätzlichen freiwilligen Leistungen dem Rat vorschlagen oder empfehlen."
Als Begründung nennen Claudia Kalisch und Kämmerer Matthias Rink "zwei wesentliche Faktoren". Diese seien "der Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen von rund 6 Millionen und die deutlich gestiegene Pensionsrückstellung im Umfang von zusätzlichen 5 Millionen Euro".
Klar, kann man einiges zu Recht auf Bund und Land schieben und die hinkende Wirtschaft. Man könnte auch darüber nachdenken, ob 250 neue Stellen binnen vier Jahren in der Verwaltung eine Rolle spielen -- vom Rat abgesegnet natürlich. Ich hatte neulich drüber geschrieben, das soll laut Verwaltungsprofis eine Summe von rund 17,5 Millionen Euro pro Jahr ausmachen. Auch kein Wort darüber, dass sich der Kämmerer bei den Personalkosten um rund sieben Millionen Euro verschätzt hatte.
Das Klagelied in solchen Fällen ist parteiübergreifend geübt seit Jahrzehnten. Aber ein bisschen doof ist die Malaise schon für den Kämmerer und seine Chefin. Kein Wunder, dass die SPD eine Sondersitzung des Finanzausschusses beantragt. Pronto. Sollten andere Parteien verstehen, was ihr Job ist, müssten sie folgen. Aus der CDU habe ich allerdings gehört, man habe Verständnis für den Kämmerer. Dass es am selben Parteibuch liegen könnte, ist eine hundsgemeine Überlegung.
Die Oberbürgermeisterin bleibt gewohnt heiter in ihrem Schreiben an den Rat: "Unabhängig von allen Herausforderungen wünsche ich Ihnen für die nächsten Wochen etwas Zeit zum Durchatmen. Genießen Sie den Sommer und lassen Sie uns mit frischem Mut in die zweite Jahreshälfte starten!" Parallel sendet sie von wohl ihrer Mitarbeiterin gelieferte Bilder in hohem Takt bei Facebook und Instagram von sich bei zig Festen und selbstverständlich dem Hissen der Regenbogenflagge. Strahlende Sommerlaune.
Wahrscheinlich läuft im Rathaus ein Kassettenrekorder mit Vivi Bachs Schlager von 1973 "Nimm's leicht, leicht, leicht, wenn was daneben geht, und lach, lach, lach, denn das macht schön." Vivi war ebenfalls sehr heiter. Psychologisch übersetzt wissen wir, am besten blicken wir positiv auf die Welt. Das weiß frau im Rathaus, man auch.
Ob Wolken den Sonnenschein verdunkeln? Die Beteiligten können gern etwas anderes sagen, aber in der Zentrale bleibt man stets der Meinung, lief alles super. So ist es mit dem Stadtfest und der Sicherheit. Offensichtlich hat es am ersten Tag, dem Freitag, nicht hingehauen, dass die Feuerwehr mühelos zum Glockenhaus kommen konnte. Es hakte für die Drehleiter an der Ecke Am Berge/Glockenstraße, der Fahrer kam an einer Sperre nicht vorbei. Transporter an mehreren Stellen sollten wie Riegel wirken. Die Idee ist gut -- wenn das Auto sofort weggefahren werden kann. Dauerte aber mehr als eine Viertelstunde, bis der Schausteller da war, der seinen Wagen zur Verfügung gestellt hatte. Im Ernstfall hätten für das Glockenhaus Kehrblech und Schaufel angestanden. Aus dem Rathaus heißt es, es habe sich um die Abfahrt der Feuerwehr gehandelt. Ich war da, es war die Anfahrt.
Nächste Aussage: Die Geschäftsleute in der Stadt kannten die Riegellösung. Ich war da, das halbe Dutzend mit dem ich sprach, wusste nix und war schwer verunsichert. Noch eine Aussage: Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste seien in die Konzeption eingebunden gewesen. Stimmt, habe ich mir von der Polizei bestätigen lassen. Was allerdings in der Antwort der Stadt nicht steht, ist was in der Mannschaft der Brandbekämpfer gesagt wird: "Wir hatten intern ein Kommunikationsproblem, das Konzept ist nicht an alle weitergegeben worden."
Möglicherweise weiß das Rathaus nicht so gut Bescheid über die eigene Feuerwehr. Gute Laune.
Weiterer Kritikpunkt: Am Berge und beispielsweise am Markt waren die Straßen durch die Auto-Anhänger-Sperren zu verpropft, sodass es bei einer Panik äußerst eng mit mit Fluchtwegen gewesen wären, wenn sich Fahrer eine Viertelstunde durch Menschenmassen kämpfen müssen, um zum Brennpunkt zu gelangen. Die Pressestelle im Rathaus zieht in ihrer Antwort als "vorläufiges Fazit: Das Sicherheitskonzept wurde erfolgreich umgesetzt. Die neuen Maßnahmen stellen eine gute Balance zwischen erhöhter Sicherheit für die Besuchenden, Kosten und praktischer Umsetzbarkeit dar."
Ich glaube, hätte man keinen Fehlalarm im Glockenhaus erlebt oder einen tödlichen Irren mit verheerende Folgen, hätten Verantwortliche vor Gericht ein Problem gehabt. Ob dann die Aussage griffe, wir haben beim Personal der Riegelfahrzeuge gespart? Ob Juristen das Motto Vivi Bachs summen: "Nimm's leicht." Ob der Feuerwehrausschuss in die Melodie einstimmt? Oder glauben wir, dass Parteien und Fachleute den ganzen Kram mal hinterfragen? Sommerpause und Erholung.
Ganz anders der Bürgerverein. Kann sein, dass man im Alter weniger auf Vivis heiteren Schlager steht. Die 140er-Senioren-Verbindung unter dem nimmermüden und gelinde gesagt selbstbewussten Rüdiger Schulz tritt der Oberbürgermeisterin mit Genuss gegens Schienbein -- sie habe "geflunkert". Flunkern ist die freundliche Formulierung für Lüge. Es geht um ein Schild, das an einer 2020 vom Verein gestifteten Kopie eines Gemäldes des Bürgermeister Töbing hängen sollte. Hinge dort, hatte Claudia Kalisch erklärt, um ein Jahr später einzuräumen, hängt da nicht, es habe Probleme gegeben. Kann passieren. Doch für Schulz eben eine Lüge. Die Oberbürgermeisterin verwahrt sich.
Die Posse um das Bild zeigt etwas Zweites: Mitarbeiter der Oberbürgermeisterin haben augenscheinlich nicht sorgfältig gearbeitet, hätte Claudia Kalisch mal selber zum Bild ihres vor Jahrhunderten agierenden Vorgängers laufen sollen, um zu gucken? Ist es ihr schlicht egal? Ist ihr klar, dass es sich um ein Geschenk der Bürgerschaft an die Stadt handelt, das es Wert ist sich persönlich zu kümmern und die Anerkennung zu verstehen?
Punkt drei: Wie gut kennt die Chefin ihre Mitarbeiter, weiß sie, wie die arbeiten, kann sie sich auf sie verlassen? Wie ernst nimmt die Belegschaft die Chefetage? Ist die Crew so überlastet, dass sie nicht hinterherkommt? Braucht es doch mehr Stellen?
Die Tritte des Bürgervereins gegens Schienbein gehen weiter. In seiner Rot-Blau-weißen Mappe von Lob und Tadel heißt es: Kein Stadtteilhaus für Kaltenmoor, die Kirche hilft bei einer eigentlich verbotenen Zweckentfremdung von Wohnungen: Aus Gemeinderäumen werden Büros für die Stadt. Bürgerwille missachtet bei der Umbenennung von der Hindenburg- in die Gartenstraße. Unsinnige 52 Fahrradbügel an der Uelzener Straße, die weitgehend ungenutzt herumstehen, schlechte Radwege etwa am Lüner Holz und und und. Am Strand macht sich ein Bein mit blauen Flecken nicht gut.
Wie auch der Arbeitskreis Lüneburger Altstadt moniert der Verein aus Gründen des Denkmalschutzes die Sitzgruppe am Luna-Brunnen. Das Argument, an Markttagen sei's dort voll, wäre einfach zu entkräften, Bierzeltgarnituren, die Pflanzkübel können irgendwo stehen. Der ALA zählt 600 Mitglieder in seinen Reihen. Was ein Großteil des Rates nicht schafft, übernehmen offenbar die Organisationen: außerparlamentarische Opposition. Kritische Fragen, konstruktive Vorschläge.
Da agieren andere Gruppen als Klima- und Radentscheid, die aus Nähe zu den Grünen vor allem die kritisieren, die vermeintlich nicht genug für Freie Fahrt für freie Radler tun. Völlig egal, dass die Grünen die Oberbürgermeisterin und die stärkste Fraktion im Rat stellen. Der Feind trägt andere Farben, Grün ist die Hoffnung.
Bleiben wir bei Vivi Bach: "Wer leicht, leicht, leicht durch dieses Leben geht, Wird bald, bald, bald nur Schönes sehn." Immerhin. Das ist zumindest gut für die Sommerlaune. Viel Spaß. Carlo Eggeling
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