Lüneburg, am Freitag den 09.05.2025

Wisch wasch — besondere Behandlung für Drogengeld in einer Bar?

von Carlo Eggeling am 20.09.2023


Irgendwo muss das viele Drogengeld bleiben, 850 000 Euro soll ein Quintett binnen ein paar Monaten in Lüneburg umgesetzt haben mit dem Handel von Kokain, Marihuana und Amphetaminen. Das Landgericht verurteilte den Haupttäter im Februar vergangenen Jahres zu einer Haftstrafe von neun Jahren, bei ihm soll gut 390 000 Euro "hängen geblieben" sein. Am Mittwochvormittag stand nun sein Halbbruder vor Amtsrichterin Irene Schaal. Der Staatsanwalt wirft dem Wirt einer Bar mitten in der Stadt in 40 Fällen Geldwäsche vor, dazu soll er sich zu Unrecht Corona-Hilfen erschlichen haben. Der Vorwurf der Anklage: Geld, das der 32-Jährige auf ein Konto der Sparkasse einzahlte und mit dem er die Miete für eine Bar beglich, stammt aus Drogenverkäufen.

Knapp 39 000 Euro soll der stämmige Mann mit markanter Brille so über sein Bankkonto in den legalen Kreislauf des Geldes eingeschleust haben, weitere knapp 14 000 Euro habe der Vermieter erhalten. Der Angeklagte ließ über seinen Anwalt eine Erklärung verlesen, Tenor: 10 000 bis 20 000 Euro habe er von seinem Halbbruder erhalten, genau wisse er das nicht mehr. Er habe gewusst, dass es aus Verkäufen der Traumfabrik stamme.

Doch das sei nur wenig gewesen. Er schilderte ein Familienidyll der offenen Taschen. Um seinen Traum der eigenen Bar zu verwirklichen hätten ihm die Großeltern 60 000 überlassen, ein Onkel 30 000 Euro, zwei Cousins jeweils 10 000 Euro. 22 500 Euro will sich der Barmann über Jahre als Trinkgeld zusammengespart haben, versteckt in der Speisekammer von Oma und Opa. Dem Vorbesitzer des Lokals, der dort Essen angeboten hat, habe er 45 000 Euro bezahlt. Immer wenn Rechnungen zu begleichen waren, habe er Bares auf das Konto eingezahlt, mal 350 mal 2665 Euro.

Es ist ein offenes Geheimnis, für viele Kollegen in der Gastronomie bedeutet Trinkgeld einen zweiten Lohn. Der Angeklagte gab einen Einblick, was er so bekommen haben will. Besonders gut lief es demnach in einer inzwischen verschwundenen Kneipe am Schrangenplatz, durchschnittlich 100 Euro pro Abend, in einem ebenfalls verblichenen Restaurant am selben Platz seien es 40 bis 50 Euro gewesen, in einem Pub im Wasserviertel 60 bis 80 Euro. In einem Berliner Club seien es rund 50 Euro pro Schicht

Den Tipp habe er gespart, nur vom regulären Lohn gelebt. Allerdings arbeitete er manchmal nur tageweise in den Betrieben, dafür habe er lange kostenfrei bei Verwandten gelebt. Im September 2020 übernahm er seine Bar, mit der Einschätzung, die "Location ist echt nice". Nur es begann nicht nett. Umbauten, die üppiger ausfielen als gedacht, vor allem aber Corona und Lock down.

Hier beginnt der zweite Teil der Anklage. Der Angeklagte beantragte Corona-Hilfen, erhielt in zwei Tranchen 26 537 Euro. Zu Unrecht, findet der Staatsanwalt. Da er noch gar keine Einnahmen erzielt habe, hätte er auch keine Beihilfen fordern dürfen. Auch hier lieferte der Angeklagte eine für das Wirtschaftsleben besondere Erklärung: Das Büro seines Steuerberaters habe alles in die Wege geleitet, er habe mal irgendetwas unterschrieben. Was bloß und wo?

Da konnte der Staatsanwalt nicht ernst bleiben: "So beckenbauermäßig?" Zur Erinnerung: Fußballlegende "Kaiser" Franz Beckenbauer hatte als Chef des deutschen Bewerbungskomitees des DFB für die Weltmeisterschaft 2006 bei den Vorwürfen um mögliche Bestechungsgelder Erinnerungslücken so erklärt: „Ich habe immer alles einfach unterschrieben, ich habe sogar blanko unterschrieben. Ich war ja nicht nur für die WM unterwegs, ich habe ja etwas anderes auch noch zu tun gehabt. Ich war Präsident des FC Bayern."

Auch Richterin Schaal zweifelte: "Sie sind Geschäftsmann, Sie wissen, was Sie tun." In den Anträgen seien die Vorgaben genau erklärt, zudem hätten "Funk und Fernsehen" verbreitet, unter welchen Umständen man Hilfen beantragen dufte. Tja, er habe das Geld brauchen können, war kurz zusammengefasst die Antwort, zudem habe er etwas mehr umgebaut als es es ursprünglich vorgesehen habe. Und wenn der Steuerberater doch alles ausgearbeitet habe...

Eigentlich sollte ein Polizist seine Ermittlungsergebnisse zu den Finanzbewegungen vortragen, doch der erhielt nun vom Gericht den Auftrag, die neuen Angaben des Anklagten zu überprüfen und dazu am Mittwoch nächster Woche vorzutragen. Auch die Steuerberatungskanzlei soll gehört werden.

Rückblende: Im Juni 2021 schlug die Polizei unter anderem in dem Haus zu, in dem die Bar des Angeklagten liegt. Es ging um ein großes Drogenverfahren. Mehrere Verdächtige wurden festgenommen und mussten sich später vor Gericht verantworten, darunter der Halbbruder des Angeklagten. Die Ermittlungen fußten auf einem sogenannten EncroChat-Verfahren: Die Polizei konnte so verschlüsselte Nachrichten auf Krypto-Handys auslesen, eine Art WhatsApp für Kriminelle. Die Polizei wertete ihre Arbeit damals als Schlag gegen das "mittlere Management" der Lüneburger Drogenszene. Carlo Eggeling

Die Fotos entstanden im Juni 2021 bei einer Durchsuchung in der Innenstadt. Die Polizei nahm damals mehrere Beschuldigte fest.


© Fotos: ca


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