Lüneburg, am Sonntag den 14.12.2025

Wo früher in Lüneburger Vorgärten Blumen blühten und Sträucher wuchsen, stehen heute Tonnen.

von Winfried Machel am 13.12.2025


Kleine Bühne, große Meinung

Von Winfried Machel

Wo früher in Lüneburger Vorgärten Blumen blühten und Sträucher wuchsen, stehen heute Tonnen. Viele Tonnen. Große, kleine, hohe, flache – und immerhin in verschiedenen Farben. Grau, braun, blau, gelb. Ein bisschen wie ein schlecht sortierter Baukasten für Erwachsene.
Was als gut gemeinte Idee begann, hat sich zu einer Art Sammelwut entwickelt. Jede neue Regel bringt eine neue Tonne. Bio hier, Papier dort, Plastik extra, Rest sowieso. Bald fehlt nur noch die Sondertonne für schlechtes Gewissen. Der Vorgarten ist dabei zur Aufstellfläche degradiert worden – nicht mehr Ort des Willkommens, sondern des Abstellens.
Natürlich ist Mülltrennung sinnvoll. Niemand stellt das ernsthaft infrage. Aber die Frage ist, was passiert, wenn ein richtiges Prinzip falsch umgesetzt wird. Wenn Nachhaltigkeit nicht mehr sichtbar lebendig ist, sondern sich in Kunststoff und Deckeln materialisiert. Wenn Ordnung wichtiger wird als Atmosphäre. Wenn wir glauben, Umweltbewusstsein beginne und ende an der Tonne.
Diese Sammelwut sagt viel über uns aus. Wir regeln, normieren und sortieren, bis kein Platz mehr bleibt – weder für Pflanzen noch für Augenmaß. Statt weniger Müll zu produzieren, verwalten wir ihn immer kleinteiliger. Statt über Verpackungen zu sprechen, reden wir über Behälter. Das Ergebnis steht dann im Vorgarten und wirkt wie ein Mahnmal unseres eigenen Systems.
So wird aus dem guten Gedanken ein schlechtes Bild. Aus Vielfalt wird Farbcodierung. Aus Umweltbewusstsein ein Logistikproblem. Und aus dem Vorgarten ein Symbol dafür, wie sehr wir uns daran gewöhnt haben, Symptome zu organisieren, statt Ursachen zu bekämpfen.
Vielleicht wäre es an der Zeit, weniger zu sammeln – und wieder mehr wachsen zu lassen. Nicht nur im Vorgarten.

© Fotos: Winfried Machel


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