Wo ist bloß die Partitur?
von Carlo Eggeling am 26.10.2024Meine Woche
Wunschkonzert
Fangen wir praktisch an. Der langweiligste, aber plötzlich wichtigste Platz der Stadt soll schöner werden. Heute Vormittag beginnt wieder einmal das Wunschkonzert für den Marienplatz. Das hatten wir zwar bereits ein paarmal, aber Beteiligung ist immer gut. Mein Vorschlag: Da die Stadt trotz intensivster Suche keinen Vermieter für eine Anlaufstelle für alkohol- und drogenkranke Menschen findet, könnte die Verwaltung dort Container aufstellen und ein soziales Angebot machen. Was für eine Symbolkraft! Noch enger am Rathaus geht nicht, direkt vor den Büros der Oberbürgermeisterin. Ein Zeichen, wie ernst die Verwaltungsspitze das Thema nimmt.
Das wäre angesichts des Abgangs von Sozialdezernent Florian Forster und dessen Kritik an der strategischen Ausrichtung im Rathaus ein Statement. Ich wollte wissen, nach was für einer sozialen Partitur die Dirigenten des Rathauses spielen, ob ich mal reinhören könne. Leider erklang keine Strophe, gibt es überhaupt eine Komposition? Kakophonie? Wunschkonzert? Oder leere Notenblätter?
Ist natürlich Blödsinn, sollte lustig sein.
Lieber wieder praktisch. Ein Blick auf den Taktgeber der CDU. Patrick Pietruck. Der Vorsitzende der Mittelstandsunion und Chef des IT-Unternehmens Webnetz, denkt augenscheinlich schneller als die CDU-Ratsfraktion. Mit Tamtam hat das Rathaus verkündet, man modle die Gesellschafterstruktur der Lüneburg Marketing um, künftig gehören der Stadt drei Viertel der Anteile. So könne man mehr Fördermittel abgreifen. Sicher nötig, weil man in der Gesellschafterversammlung nach dem finanziellen Desaster des Stadtfest 2023 über eine drohende Insolvenz debattierte.
Ich würde zwar sagen, es mangelt nicht nur am Geld, sondern eher an Ideen, um Lüneburg attraktiver zu machen. Vier verkaufsoffene Sonntage, die dem Handel keine guten Umsätze bescheren und wie ein Auslaufmodell wirken, ein bisschen Stadtfest, zweimal Musik am Abend. Vor Jahren gab es ein Lichterfest, Nacht der Romantik im Kurpark, und und und. Da stand jemand am Dirigentenpult, der tolle Stücke spielte, bis er genervt nach Bad Bevensen ging. Bevensen!
Wie auch immer. Impresario Pietruck denkt offensichtlich, da ist mehr drin. Eine Pressemitteilung entwirft ein Szenario: "Bislang gelingt es nicht, Lüneburg als relevanten Wirtschaftsstandort in der Öffentlichkeit darzustellen. Darunter leidet die regionale Wirtschaft: Start-ups und mittelständische Unternehmen siedeln sich nur selten hier an, und für ansässige Betriebe bleibt es schwierig, Fachkräfte zu gewinnen."
Die LMG sei gefordert, Standortmarketing bedeute, "überregional Fachkräfte auf die beruflichen Möglichkeiten in Lüneburg aufmerksam zu machen und die Attraktivität der Region zu verdeutlichen". Stichworte: eine regionale Job- und Ausbildungsmesse sowie ein Jobportals. Offensichtlich hat da einer ein Drehbuch, wie schon bei der Roten Straße, wo Pietruck zu mehr Druck aufrief und die dösende CDU-Ratsfraktion anstubste.
Schlauerweise mit einer Umarmung der SPD, Alt-OB Ulrich Mädge hatte ähnliche Forderungen erhoben. Es könnte auch andersherum gehen.
Laut schallt der Ruf nach einem Wirtschaftslosten durch die Politik, einer der durchs Verwaltungsdickicht führen soll. Das hält man in der SPD für überflüssig, es gebe genug Stellen im Rathaus. Ein Punkt, an dem man sich unterhaken könnte: Die Sozis finden, Aufgabe der Wirtschaftsförderung. Und Ansprechpartner in der Stadtverwaltung müsste es längst geben oder stehen die heute vor verschlossenen Türen. Wofür ist ein Kämmerer oder die Oberbürgermeisterin da? Chefs größerer Firmen geben sich nicht mit einem Referenten zufrieden, die wollen von Chef zu Chef reden.
Mehr Wirtschaft in die LMG. Mal sehen, wer konsequent weiterdenkt und präsentiert, was naheliegt: Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung verschmelzen, weil die Aufgaben sich überschneiden.
Bestimmt wieder ein vollkommen dummer Gedanke. Oder einer mit Witz? Denken wir an den Schauspieler Peter Ustinov: "Mit Propheten unterhält man sich am besten drei Jahre später."
Wunschkonzert. Anregender als der Marienplatz könnten der Tanzmarathon der Lebenshilfe im Wasserturm und die Club-Konzerte in Kneipen sein. Sagen wir so, da ist wirklich Musik drin. Carlo Eggeling
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