Wohnungsfrage in Kaltenmoor
von Carlo Eggeling am 29.04.2023Meine Woche
So neu
Bei der Stadt wollte man ihn nicht als Finanzminister, jetzt wechselt Rainer Müller wohl vom Markt in den Bunker neben der Michaeliskirche. Der Landkreis greift bei den Kollegen gern zu. Yvonne Hobro, lange Jahre im Dienst der Stadt, übernimmt von Jürgen Krumböhmer das Amt des Ersten Kreisrats, nun Müller in einem Spitzenamt. Derweil fehlt im Rathaus ein Kämmerer. Man habe keinen der internen Bewerber haben wollen, heißt es auf den Fluren der Verwaltung. Nicht einmal im zweiten oder dritten Versuch, der erste war ein Satz mit x -- war wohl nix, nachdem ein bereits angekündigter Kandidat aus Schleswig-Holstein doch abgewinkt hatte. Auch der neue Anlauf scheint weniger ein Lauf als ein Auf-der-Stelle-treten. Obwohl das Projekt geheime Kommandosache der spitzesten Spitze im Rathaus sein soll.
Dafür bräuchte die Oberbürgermeisterin doch jemanden, der bestens mit Zahlen und Finanzen Bescheid weiß. Claudia Kalisch hat im Rat ein -- das ist ernst gemeint -- richtig gutes Vorhaben angekündigt: Sie möchte von der Vonovia Wohnungen in Kaltenmoor übernehmen, die Rede ist von 700. Doch große Pläne bedeuten Kleinklein: Wie bezahlt man eine Vision? Das hat Frau Kalisch nicht verraten.
Ganz neu ist das natürlich nicht, ähnliches hatte die Politik schon lange versucht. Dazu muss man einen Irrtum korrigieren, von dem zu lesen war: Es stimmt nicht, dass Lüneburg vor Jahrzehnten einen großen Wohnungsbestand im Hochhausstadteil verkauft hat. Der Gewerkschaftskonzern Neue Heimat war in den 1980er Jahren nach Skandalen implodiert, wurde zerschlagen, auch in Lüneburg gingen Komplexe an Investoren -- aber nicht an die Stadt.
Ein Beispiel ist der Riegel an der Wilhelm-Leuschner-Straße. Der gehörte einem Mann, der Mieten rauszog, Reparaturen für eher lästig hielt, zeitweilig wurde die Stromrechnung nicht beglichen. Ein Desaster für Mieter. Neue Eigentümer, gleiche Probleme. Weite Teile des 1972 bis 1974 errichteten Baus kamen schließlich in die Zwangsversteigerung. 270 Wohnungen waren vor vier Jahren im Angebot. Die städtische LüwoBau sollte kaufen, die Geschäftsführerin saß mit einem Scheck über eine Million Euro in der Tasche im Saal 8 des Amtsgerichts -- und konnte nicht mithalten, andere große Lüneburger Immobilienhändler wollten nicht. Den auf einen Wert von zehn Millionen Euro geschätzten Klotz kaufte ein Unternehmen aus Pullach für 17 Millionen, dazu kamen und kommen Millionen für die Sanierung.
Wie sollte die Stadt also zweieinhalbmal so viele Wohnungen finanzieren? Bei einem Minus von Dutzenden Millionen im Haushalt. Die LüwoBau, so heißt es aus bestens informierten Kreisen, habe nicht einmal das Personal, um Kauf und Betreuung zu leisten, geschweige denn das Geld. Denn Finanzierungen sind bekanntermaßen schwieriger geworden. Ob die Wohnungsgenossenschaft mit ihrem Vorstand einsteigen mag? Der schreibt zwar analytische Leserbriefe und Beiträge im Netz, warnt gleichzeitig aber vor finanziellen Risiken der Baubranche. Klingt nicht zupackend. Eine Lüneburger Investorengemeinschaft, die sich das an die Backe bindet bei einer Bauverwaltung, die ständig über Überlastung klagt?
Dann gibt es den großen Plan einer Kreiswohnungsbaugesellschaft. Auch die dürfte an Geld- und Organisationsproblemen leiden. Vielleicht eine Idee für den neuen Kreis-Buchhalter Müller. Das Rathaus hat ihn ja bald nicht mehr. Eine Landeswohnungsgesellschaft? Die könnte Millionen an Fördermitteln nutzen, mit Glück. Wäre ja eine schöne Aufgaben für die Lüneburger Abgeordneten samt Ministerin und Fraktionschef, beide grün, das in Hannover anzuschieben.
Da Kaltenmoor ein städtebauliches Sanierungsgebiet ist, besitzt die Stadt ein Vorkaufsrecht zu günstigeren Konditionen und kann eine Menge Vorgaben machen. An der Wilhelm-Leuschner-Straße funktionierte das nicht, weil es um eine Zwangsversteigerung ging. Da gelten andere Regeln.
Vermutlich müsste es auf eine Gemeinschaft privater Investoren und kommunaler Akteure hinauslaufen. Da braucht es jemand*in, der/die zupackt, schnell und mutig entscheiden und gleichzeitig verschiedene Interessen bündeln kann. Also: super Idee. Doch frei nach Bert Brecht: Der Vorhang fällt, das Publikum schaut betroffen, am Ende viele Fragen offen.
Wie schön, dass die Verwaltung noch daran arbeitet, wie Ratssitzungen im Netz live mitverfolgt werden können. Der ehemalige linke Ratsherr Michél Pauly ist schon auf Sendung. Da war dann am Donnerstag zu beobachten, dass sich die Oberbürgermeisterin darüber beklagte, dass der Rat zu viele und überflüssige Anfragen stellt, die Verwaltung fühle sich überlastet und nicht richtig liebgehabt. Das hört man auch aus anderen Städten. Das ist bedauerlich, vielleicht auch verständlich. Zwar wurden mehr Leute eingestellt, gerade ganz oben für Stabsstellen, anderswo klaffen Lücken.
Wie auch immer, die Grünen sprangen ihrer Parteifreundin zur Seite, die Linke auch, die nimmt eh so gut wie nie eine andere Haltung ein, Frank Soldan durchleuchtet alles gewohnt mit liberalem Blick, vor allem mit viel Verständnis. Dass sich CDU und SPD wehren, war zu erwarten. Es sei das Recht des Rates, Fragen zu stellen und Themen zu diskutieren, sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Schröder-Ehlers. CDU-Haudegen Eckhard Pols stellte in den Raum -- total gemein -- die Oberbürgermeisterin sei als Verwaltungschefin überfordert. Die konterte, sie halte vieles aus, stelle sich vor ihre Leute.
War das eine Überraschung? Gab es auch schon in der Vergangenheit, da trietzten die Grünen übrigens den alten SPD-Oberbürgermeister und seine Crew und fanden das völlig normal. Die Sozis wiederum bewiesen Verständnis für Ulrich Mädge.
Was bleibt? Viel Pulverdampf, viel Inszenierung. Die Frage: Habt ihr nichts Wichtigeres zu tun? Doch. Dafür müsste man durch die Stadt gehen, um das zu sehen.
Das Wetter ist fein. Das Wochenende lang. Zeit für Spaziergänge, Jahrmarkt und den 1. Mai. Die Gewerkschaften rufen auf zur Kundgebung auf dem Lambertiplatz. Da geht es um sehr volksnahe Themen. Carlo Eggeling
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