Lüneburg, am Samstag den 06.09.2025

Zu viel rot

von Carlo Eggeling am 06.09.2025


Meine Woche
Hingucker

Ich mache Urlaub in Oberitalien. Viele Städte sind ein Traum. In Stein modellierte Geschichte. Erhaben und verspielt, stolz und lässig, anmutig und mit Witz. In den Erdgeschossen Geschäfte, natürlich. Manche Scheußlichkeit. Übrigens kaum Leerstand, obwohl es auch in Südtirol und in der Lombardei das Internet samt Bestelldienste gibt. Die Plätze klar und frei. In der Mitte ein Brunnen, eine Skulptur, Straßencafés drumherum. Wer nicht einkehren will, setzt sich auf eine Bank oder eine Stufe, trinkt sein Wasser. Wenn hier Bäume stehen, dann klein oder an markanten Punkten. Fahrradparkplätze gibt es am Rand der Innenstadt.

Man legt Wert auf Details, nicht knallig bunt, Laternen passen zu den Gebäuden, Haltestellenschilder fallen nicht groß auf. Ich habe darüber geschrieben, dass ich die roten Masten für die neue Anzeigetafeln des Nahverkehrs auf dem Sand für nicht sonderlich gelungen halte, weil sie zum Strauß des Häßlichen passen, den Lüneburg an vielen Stellen klaglos hinnimmt. Wie blöd von mir, die Reaktionen: Geht nicht anders, ist Vorgabe des HVV, hast du keine anderen Sorgen?

Doch, es geht anders, selbst wenn ich andere Sorgen habe. Neben den nagellackroten Gestängen finden sich Laternen, die "der Retter der Altstadt", Curt Pomp, entworfen und Schlosser Müdder gebaut hat. In Grau. Sie fallen nicht groß auf, die Augen sehen den bewussten Akzent und am Abend das Licht. Das geht mit Anzeigetafeln nicht? Mülleimer und Sitzmöbel hält die Stadt in unauffälligen Tönen. Dem HVV kann man nichts entgegensetzen?

Pomp und der Arbeitskreis Lüneburger Altstadt haben viel erreicht, was uns und vielen Besuchern so gefällt. Der Flaneur nimmt Türen und Oberlichter aus dem Rokoko wahr, er sieht geschnitze Balken und Ornamente, Backsteingotik und Renaissance. Wer aus der Innenstadt ein Wohnzimmer machen möchte, vergisst, dass Stadt viel mehr ist als Sofa, Gestrüpp und Beliebigkeit: Arbeit, Wohnen, Kultur, Begegnung, Verkehr, Feiern. Das kann und sollte zueinander passen. Italien lohnt sich. Rot? Geht anders. Aber natürlich gilt Mark Twain, der Schriftsteller wusste: "Der Jammer mit den Weltverbesserern ist, dass sie nicht bei sich selber anfangen."

Nun ist noch einer raus: Dennis Neumann hat erklärt, ihm gefalle es gut als Bürgermeister in Bleckede. Kann ich verstehen. Schloss, Elbe, wenn sie so ganz da ist, Eis bei Mancini, eine Feuerwehr mit einem herausragenden Pressesprecher, überschaubare Probleme, dafür Lösungen. Der parteilose Rathauschef verabschiedet sich aus dem Rennen um das Amt des Landrats bei den Kommunalwahlen im Herbst kommenden Jahres. So wie andere auch. Christoph Palesch aus Amelinghausen, der SPD-Mann macht ebenso nicht mit wie Steffen Gärtner, sein CDU-Kollege in Gellersen.

Landrat und Oberbürgermeister in Lüneburg. Herausragende Ämter. Zumindest für die Stadt war es das mal. Heute, heißt es aus der Runde der Hauptverwaltungsbeamten, werde die Stimme Lüneburgs nicht mehr als gewichtig wahrgenommen. Könnte sich ändern. Einer, der damit kokettiert, den Job übernehmen zu wollen, scheint Patrick Pietruck zu sein. Erfogreicher Co-Chef der Internet-Agentur Webnetz, in der CDU in Stadt und Kreis verankert, als Vorsitzender der lokalen Wirtschaftsunion MIT auch auf Landes- und Bundesebene aktiv.

Gemeinsam mit seiner Partnerin Anna Bauseneick, sie sitzt für die CDU im Landtag, ist er präsent. Jetzt hat er im Netz ein Foto vorm Rathaus veröffentlicht: "Da will ich rein." Hinweis auf eine Veranstaltung. Zu dem Treffen der Start up-Aktiven der nächste Post: "Ins Rathaus habe ich es noch nicht geschafft, aber immerhin in den Rathausgarten." Noch nicht. Zwinker zwinker. Webnetz gebe gern Geld für ein Nachwuchs-Netzwerker-Treffen. Strategisch gut gedacht.

Die Botschaft erinnert an Gerhard Schröder. Der Sozialdemokrat rüttelte einst in Bonn am Zaun des Bundeskanzleramtes: "Ich will hier rein." Später wurde er Kanzler. Ein bedeutender: Er zog nicht in den Irak-Krieg, vor allem verordnete er dem Land die Agenda 2010. Die gab vor, dass Sozialpolitik nicht nur fördern, sondern auch fordern bedeutet. Deutschland wurde vom kranken Mann Europas wieder zur Wirtschaftslokomotive.

Die Sozialdemokratie verprügelt ihn noch immer dafür, weil er das reine Verteilen von Wohltaten für wenig effektiv hielt. Die Jahre Angela Merkels und der Wohlstand hatten ihre Wurzeln sicher im Konzept Schröders. Wo ist heute ein Gerd Schröder? In welcher Partei?

Pietruck. Der hält sich offen, ob er antritt. Er lacht. Spekulationen gefallen ihm. Es wirkt, als hätten er und Anna Bauseneick ein Konzept, wohin sie wollen. Sie sind bestens verankert. Als die MIT neulich einlud, kamen reichlich Unternehmer auf die Terrasse des edel-lässigen Hotels Wyndberg, dazu MIT-Prominenz und ein paar Politiker, die man aus den Nachrichten kennt. Interessant war auch, wer nicht dabei war. Mancher sollte sich überlegen, welche Rolle er spielt in einer lokalen konservativen Zukunft.

Claudia Kalisch galt neulich dem in Niedersachsen gut informierten Politik-Magazin Rundblick als Favoritin bei der OB-Wahl. Nun ja, mangels irgendeines anderen erkennbaren Interessenten ist das nicht verwunderlich. Gemein ist es, darüber zu mutmaßen, dass der Bericht ein wenig lanciert sein könnte. Das Engagement beim Städtetag lässt vieles denkbar scheinen. Pietruck ist nun dabei, also so ein wenig. Oder mehr?

Urlaub. Warum dann diese Zeilen? Schreiben entspannt ungemein. Es ist schön, wenn die einen lächeln und die anderen mich in die "unterste Schublade" stecken wollen.

Grüße nach Lüneburg. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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