Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Zwei Blicke auf das Leben in Turnhallen

von Carlo Eggeling am 23.12.2022



Weihnachten auf der Flucht
Ein Blick in die städtischen Unterkünfte: Betroffene berichten, die Stadt gibt Antworten. Die Welt ist widersprüchlich

Wenn die Oberbürgermeisterin im Rat über die Unterbringung von Flüchtlingen spricht, klingt es regelmäßig dramatisch. Nach eigenen Angaben hat die Stadt in ihren Unterkünften rund 800 Menschen ein Dach über dem Kopf gegeben. "Davon rund Zweidrittel in den sieben städtischen Gemeinschaftsunterkünften und ein Drittel in den drei Notunterkünften Schlieffenpark, Im Grimm und Wilschenbrucher Weg", heißt es aus der Sozialverwaltung. "Ein sehr hoher Anteil insbesondere von Ukrainern ist außerdem bei Privatpersonen in der Stadt Lüneburg untergekommen. Diese Menschen werden dankenswerterweise von Privatpersonen begleitet und betreut. Mit weiterem Zuzug in hoher Zahl ist zu rechnen."

Inzwischen belegte die Verwaltung drei Turnhallen als Notunterkünfte. Angeblich standen die beiden Gebäude im Hanse-Viertel zeitweilig weitgehend leer, keine 30 Menschen sollen dort gut zwei Wochen gelebt haben. Weil eben das kaum mit der Dramatik zusammenpasste, soll die Verwaltung in einer zentralen Unterkunft des Landes sowie in Sumte um "Nachschub" gebeten haben. So kamen in den vergangenen Tagen 150 Personen in die Hallen. Auf Nachfrage im Rathaus, ob dem so sei, kommt eine vage Antwort: "Die Situation ist und bleibt dynamisch. Die Zahl der Ankünfte schwankt sehr. Im Durchschnitt erreichen weiterhin zirka 40 Geflüchtete pro Woche die Hansestadt."

Die "Neuen" seien in Reisebussen aus Sumte nach Lüneburg verlegt worden. Sie leben dicht an dicht in den Hallen, in die aus Baunzäunen und Folien Boxen mit jeweils acht Plätzen geschaffen wurden. Privatsphäre gebe es nicht. So erzählen es Menschen, die immer wieder mit den Unterkünften zu tun haben. Namentlich wollen sie nicht erwähnt werden, da sie Konsequenzen fürchten. Und so widersprechen sich die Schilderungen derjenigen, die aus ihrem Erleben berichten und die Antworten der Stadt.

Als die ersten Flüchtlinge ins Hanse-Viertel kamen, beklagten sich die Bewohner über mangelnde Heizung und eine extrem laute Lüftung. Unterstützer monierten: Wenn man die Hallen zu Unterkünften umwandelt, müsse man im Winter doch an die Heizung denken. Nachdem ich vor zwei Wochen eine Anfrage auch in diesem Punkt an die Verwaltung gestellt hatte, soll Bewegung in die Sache gekommen sein. So sollen Heizstrahler aufgestellt worden sein. Nun antwortet das Rathaus: "Der Bauverwaltung der Hansestadt Lüneburg ist das Problem bekannt. Reparaturarbeiten laufen."

Auf die Frage, ob Bewohner Besuch empfangen dürfen, gibt es zwei Antworten. Die Stadt sagt: "Natürlich." Vor Ort macht man andere Erfahrungen, die möglicherweise in Zusammenhang damit stünden, wer dort Dienst habe. Es heiße, dass die Privatsphäre der Bewohner geschützten werden solle, daher hätten lediglich ehrenamtliche Helfer Zutritt. Eine weitere widersprüchliche Auskunft aus dem Kreis der Bewohner: Im Hanse-Viertel dürfen Besucher rein, im Grimm nicht.

Es kommen viele Frauen mit Kindern, die Mädchen und Jungen sollen am Unterricht teilnehmen. Das gestalte sich aber schwierig, da verschiedene Schulen nur begrenzt Kapazitäten zur Verfügung stellen könnten. Des Öfteren gehe es darum, dass der Nachwuchs einer Familie möglichst in einer Grundschule vor den Tafeln sitze. Bei der Kita-Betreuung soll es ebenfalls Probleme geben. Die Antwort der Sozialverwaltung auf Nachfrage: "Die Hansestadt Lüneburg ist nicht für das pädagogische Personal an den Schulen zuständig." Nein, aber die Sozialarbeiter in den Unterkünften dürften über eine Einschätzung der Lage verfügen, zudem ist die Stadt in den meisten Fällen Schulträger.

Es geht vage weiter: "Die Situation in den Kitas ist aufgrund der Krankheitswelle angespannt. Die Zuordnung zu Schulen und Kitas erfolgt in Anbetracht der Situation möglichst sozialverträglich. Die Familien werden von den Sozialarbeiter vor Ort unterstützt." Das erklärt nicht wirklich, wie die Lage konkret aussieht.

Eine ausweichende Antwort auch bei Fragen zum Krankenstand, bekanntlich kommen Ärzte und Kinderklinik kaum nach bei der Versorgung von Patienten. Die Frage: Wenn Menschen auf engem Raum leben, dürfte das auch ein Problem in Unterkünften sein. Wie gehen Mitarbeiter der Stadt damit um? Wie viele Kollegen sind selber erkrankt, wie schaut es mit der Personalsituation aus?
Die Antwort: "Die Mitarbeiter der Hansestadt Lüneburg achten weiterhin besonders auf die Hygienevorschriften, die Maskenpflicht in den Dienstgebäuden besteht weiterhin." Das sagt nichts zu Zahlen. Darüber hinaus heißt es aus den Unterkünften: Die Betreuer trügen Masken, die Bewohner aber zumeist nicht. All das scheint nur begrenzt zu helfen: Der Krankenstand bei Betreuern und Mitarbeitern soll -- wie überall -- hoch sein.

Die Stadt schätzt die medizinische Versorgung als leidlich ein: "Alle Geflüchteten haben freie Arztwahl. Chronisch kranke Menschen sind häufig schon in Sumte an Fachärzte oder das Krankenhaus in Lüneburg angebunden. Die Mitarbeitenden in den Unterkünften unterstützen die Menschen, falls nötig, beim Aufsuchen des Arztes bzw. Krankenhauses. Helfen z.B. bei der Organisation eines Fahrdienstes."

Die Einschätzung, die von Unterstützern zu hören ist: Ärzte würden Patienten abweisen wegen mangelnder Möglichkeit der Verständigung. Zwar bemühten sich die Sozialarbeiter um Dolmetscher, doch es gebe zu wenige. Überdies hätten einige der Patienten eben aufgrund ihrer Ankunft in Sumte Fachärzte in Mecklenburg aufgesucht. Einen Fahrdienst in Richtung des Nachbarbundeslandes samt Übersetzer zu organisieren, sei eine gewaltige Herausforderung."

Die Verwaltung bestätigt, dass im Hanse-Viertel "derzeit ein Ärzte-Ehepaar ehrenamtlich in der Unterkunft tätig ist. Ein Raum wurde entsprechend dafür zur Verfügung gestellt". Das sei ein guter Schritt, heißt es aus der Unterkunft. Allerdings könnten die Mediziner noch nicht wirklich loslegen: Ihnen sollen angeblich Unterlagen fehlen

Betreuer berichten von einer häufig gestellten Frage: "Wann kommen wir hier raus in andere Räume?" Antworten müssten sie schuldig bleiben: "Das wissen wir auch nicht."

Vorangehen kann es jetzt für das neue Containerdorf neben der Kläranlage und Tierheim an der Bockelmannstraße. Dort planieren Maschinen Flächen, auch ein Stromaggregat wurde angeliefert. Carlo Eggeling


Fotos (ca) vom Aufbau in den Hallen im Hanse-Viertel und den Vorbereitungen an der Kläranlage für ein Containerdorf.

© Fotos: ca


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