Lüneburg, am Montag den 10.11.2025

Zweifaches Gedenken an die Pogromnacht

von Hajo Boldt am 10.11.2025


Lüneburg erinnert an die Zerstörung jüdischen Lebens und mahnt zur Wachsamkeit-

Mit einer eindrucksvollen interreligiösen Andacht und einer Gedenkfeier an der Synagogengedenkstätte Am Schifferwall hat Lüneburg am 9. November der Opfer der Reichspogromnacht von 1938 gedacht. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Lüneburg (GCJZ) hatte zu beiden Veranstaltungen eingeladen.

Die Andacht im Glockenhaus gestalteten Pastorin Almuth Wiesenfeldt und Rabbinerin Alisa Bach gemeinsam. Musikalisch begleiteten Daniel Stickan (Klavier) und Hans-Malte Witte (Saxofon). Im Anschluss versammelten sich zahlreiche Lüneburgerinnen und Lüneburger an der Synagogengedenkstätte, wo Reden, Gebete und eine Kranzniederlegung stattfanden.

In seiner Ansprache erinnerte Prof. Dr. Christoph Dohmen, Vorstandsmitglied der GCJZ, an das bleibende Erbe der Shoah in der Stadt:„Anders als in anderen Städten hielten sich in Lüneburg 1945 die sichtbaren Zerstörungen in Grenzen. Und doch war ein Teil Lüneburgs völlig zerstört – das jüdische Leben.“

Er erinnerte daran, dass nach dem Krieg viele Bürger die „Leerstelle“ kaum wahrgenommen hätten. Erst eine kleine Nachkriegsgemeinde aus Überlebenden und Displaced Persons habe versucht, jüdisches Leben neu zu begründen – meist vergeblich.„Den jüdischen Friedhof, den sie gebraucht hätte, gab man ihr nicht zurück.
Wiedergutmachungsansprüche für das Synagogengrundstück wurden 1950 von der Stadt zurückgewiesen“, so Dohmen.„Den Schlussstrich, den manche ziehen wollen, dürfen wir nicht ziehen. Niemals!“
Pastoralreferent Michael Hasenauer, ebenfalls Vorstandsmitglied der GCJZ und Hochschulseelsorger an der Leuphana Universität, betonte die Bedeutung aktiver Erinnerung:
„Gedenken ist mehr als sich erinnern. Es ist das Wahrnehmen und die Wachheit, wie und wo es heute darauf ankommt, allen Anfängen zu wehren.“
Zwei Studentinnen der evangelischen und katholischen Hochschulgemeinde verlasen die Namen der deportierten und ermordeten Lüneburger Jüdinnen und Juden.
Rabbinerin Bach sprach das jüdische Totengebet El Male Rachamim und das Kaddisch.

Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch erinnerte in ihrer bewegenden Rede an die Verantwortung der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger:
„Menschen, die dem Hass des Naziregimes zum Opfer gefallen sind – ihre Namen dürfen niemals vergessen werden.“
Kalisch mahnte angesichts wachsender antisemitischer Tendenzen:
„Leider müssen wir wahrnehmen: versteckter und offener Antisemitismus nehmen wieder zu. Lassen Sie uns nicht wegschauen, sondern gemeinsam gegen jede Form von Ausgrenzung stehen. Denn wir sind mehr.“
Zugleich kündigte sie an, dass 2026 der jüdische Friedhof als wichtiger Erinnerungsort wieder eingeweiht werde – ein Zeichen der Versöhnung und der Verantwortung.
„Ja, es ist beschämend. Und ja, wir tragen als Stadt die Last einer schweren Verantwortung. Aber wir werden keinen Schlussstrich ziehen.“

Nach einem weiteren Musikstück gespielt von Hans-Malte Witte legten Vertreterinnen und Vertreter der Stadt, der GCJZ und der Religionsgemeinschaften Kranz und Blumen am Denkmal Am Schifferwall nieder.

Das doppelte Gedenken in Lüneburg verband Vergangenheit und Gegenwart eindrucksvoll – als Mahnung, Erinnerung und Verpflichtung zugleich.
„Denn die Namen der Opfer“, so Kalisch, „werden niemals vergessen sein.“

Text/Foto/Video: Hajo Boldt

© Fotos: Hajo Boldt


Kommentare Kommentare


Zu diesem Artikel wurden bisher keine Kommentare abgegeben.



Kommentar posten Kommentar posten

Ihr Name*:

Ihre E-Mailadresse*:
Bleibt geheim und wird nicht angezeigt

Ihr Kommentar:



Lüneburg Aktuell auf Facebook