Lüneburg, am Donnerstag den 08.05.2025

Zweifel am neuen neuen Bussystem

von Carlo Eggeling am 26.06.2024


Der Landkreis möchte in ein neues Zeitalter der Mobilität einsteigen mit einer eigenen Verkehrsgesellschaft namens Moin. Das hat der Kreistag so beschlossen. Kritiker hielten und halten den Zeitplan für ambitioniert. Der Landkreis besitzt keinen eigenen Fuhrpark und ebensowenig einen Betriebshof. Er muss mindestens für einen Übergang auf Unternehmen setzen, die die Fahrten übernehmen. Ob die Pläne funktionieren, bezweifelt die Gewerkschaft ver.di. Auch fordert ver.di, dass bei der Vergabe von Verträgen auf Tariftreue geachtet wird. Gewerkschaftssektretär Heiko Groppe wendet sich nun mit einem Schreiben an die Mitglieder des Kreistags. Lüneburg aktuell kennt dieses Papier und veröffentlich es im Wortlaut. Carlo Eggeling

Brief an die Fraktionen des Kreistages Lüneburg zur Verkehrsgesellschaft MOIN und der geplanten Ausschreibung des Linienverkehrs im Landkreis

Sehr geehrte Fraktionen im Kreistag Lüneburg, sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Schreiben möchten wir, die Gewerkschaft ver.di, unsere tiefste Besorgnis über die geplanten Ausschreibungen des Linienverkehrs im Landkreis Lüneburg zum Ausdruck bringen. Wir appellieren an Sie, die Belange der Beschäftigten und die langfristige Sicherstellung eines qualitativ hochwertigen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ernsthaft zu berücksichtigen.

Die geplanten Ausschreibungen des Linienverkehrs durch die Verkehrsgesellschaft MOIN drohen, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im ÖPNV erheblich zu verschlechtern. Erfahrungen aus anderen Regionen zeigen, dass Ausschreibungen oft zu einem ruinösen Wettbewerb führen, bei dem der Preisdruck auf dem Rücken der Arbeitnehmer*innen ausgetragen wird. Dies bedeuteten Lohnkürzungen, schlechtere Arbeitsbedingungen und eine Abnahme der sozialen Absicherung. Ein solcher Abwärtstrend darf im Landkreis Lüneburg nicht zugelassen werden.
Wir fordern Sie daher dringend auf:
1. Tarifbindung sicherstellen: Bei allen Ausschreibungen muss garantiert werden, dass die zukünftigen Betreiber tarifgebunden sind und die aktuellen Tarifverträge einhalten. Nur so können faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen gesichert werden.

a. Eine Vergabe an mehrere Unternehmen kann dazu führen, auch unter Anwendung des NTVergG, dass es bis zu fünf unterschiedlichen Regelungen hinsichtlich der Anwendung tarifrechtlicher Normen kommen kann. Hier sehen wir nicht nur Befürchtungen hinsichtlich Buspersonal zweiter, oder dritter Klasse, sondern auch eine drohende Unruhe bei den Beschäftigten.

b. Für die Vergabe des ÖPNV-Verkehres kann es nur zur Anwendung eines Tarifvertrages kommen. Wir fordern ausdrücklich gleiches Geld für gleiche Arbeit!

c. Es ist neben den Mindestanforderungen aus dem NTVergG zusätzlich möglich weitere Anforderungen an die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten an die Bewerbenden Anbieter bei der Ausschreibung zu stellen. Es handelt sich bei den Vorgaben des NTVergG ausdrücklich nach §5 um eine Mindestbedingung.

Es ist weder in der Region noch im Land Niedersachsen branchenüblich allein diese Mindestbedingung zu erfüllen und weitere Sozialstandards unberücksichtigt zu lassen. Insbesondere beim derzeitigen Arbeitsmarkt, auch mit Blick auf Hamburg und die Metropolregion Hamburg erweisen sich gute tarifierte Arbeitsbedingungen als ein wesentlicher Garant ein zuverlässiges ÖPNV-Angebot zu gewährleisten.

d. Vergleichbare Landkreise im Niedersachsen schreiben ihre Verkehrsleistungen mit dem Tarifniveau TV-N Nds. aus. Hier unter anderem zu nennen sind die Landkreise Celle und Lüchow-Dannenberg, jedoch auch Stadtverkehre wie in Hildesheim. Gleichzeitig sind diverse Landkreise in dieser Planung. Lüneburg sollte hier als Vorreiter der Region gelten.

Bei Anwendung der Loslimitierung und Aufteilung des Netzes auf fünf Lose Sozialkriterien berücksichtigen:
Neben wirtschaftlichen Aspekten müssen auch soziale Kriterien eine zentrale Rolle bei der Vergabe spielen. Dazu gehören insbesondere die Arbeitsplatzsicherheit, die Übernahme der bestehenden Belegschaft und die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards.

a. Insgesamt ist es - sozialpolitisch, aber auch verkehrspolitisch – wichtig, sicherzustellen, dass die Menschen, die in der Personenbeförderungsbranche tätig sind, gerecht und angemessen entlohnt werden und unter guten Arbeitsbedingungen arbeiten können. Ein Tarifvertrag, zum Beispiel jener des Spartentarifvertrages Nahverkehr Niedersachsen (TV-N Nds.) kann dabei als Orientierungspunkt dienen, um diesen Zielen näher zu kommen und die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen zu schützen sowie für Nutzerinnen und Nutzer des ÖPNV in der Region einen zuverlässigen ÖPNV zu gewährleisten.

b. Es gilt bei der Auswahl der Bewerbenden zu berücksichtigen, dass diese auch qualitativ Arbeits- und Sozialstandards einhalten, die außerhalb tariflicher Reglungen liegt. Etwaige Situationen wie sie im HVV in Hamburg und Umgebung bei Beauftragung eines aus den Medien bekannten Subunternehmers der Hochbahn AG erfolgen gilt es ausdrücklich zu vermeiden.

c. Ausdrücklich müssen ausreichend Toiletten für die Beschäftigten zur Verfügung stehen. Gleichzeitig benötigt es einen sicheren und festen Standort für Pausen, das An- und Umkleiden, sowie der körperlichen Hygiene und Bedürfnisse. 

Qualität im ÖPNV erhalten: Eine Ausschreibung darf nicht zu Lasten der Qualität des öffentlichen Nahverkehrs gehen.

Die Bürger:innen im Landkreis Lüneburg haben ein Recht auf einen zuverlässigen, sicheren und gut getakteten ÖPNV. Dies ist nur mit motivierten und gut ausgebildeten Fahrer:innen möglich. a. In der Diskussion und Planung der Ausschreibung wurde immer wieder deutlich, dass vor allem lokale Busunternehmen von der Ausschreibung und Vergabe profitieren soll. Mit Blick auf dies hiesige Unternehmenslandschaft der Verkehrsunternehmen wird deutlich, dass nur sehr wenige dazu in der Lage sein dürften. Selbst jene die Leistungen in der zurückliegenden Zeit gestemmt haben, haben mittlerweile Verkehrsleistungen zurückgegeben.

b. Bis zum 1.1.2026 soll durch die MOIN ein neuer Betriebshof und dutzende neue Elektrobusse angeschafft werden. Im Lichte des Marktes, dem Vergaberecht nebst Ausschreibung, sowie Verfügbarkeit von Fahrzeugen wird deutlich, dass ein derzeitiger Zeitplan der MOIN kaum zu halten scheint. Selbst etablierte Verkehrsunternehmen im lokalen, als auch nationalen Markt halten die Planung für kaum haltbar. Hier besteht die Sorge, dass darunter die Qualität des ÖPNV leitet. Bereits im Jahr 2021 haben wir als Organisation einen Zeitplan von fünf Jahren als ambitioniert angesehen.

c. Öffentlich wird immer wieder verdeutlicht, dass sich die Taktung des ÖPNV erhöhen soll. Aus internen Kreisen ist jedoch bekannt, dass dies keineswegs im ersten Jahr der Einführung des neuen Liniennetzes geplant. Die Einwohnenden der Hansestadt und des Landkreises Lüneburg erwarten eine deutliche Steigerung der Taktung. Letztlich auch, weil Landtagsabgeordnete und die Geschäftsführung der MOIN sich hier positionieren und auch in der Vergangenheit dies medial gestreut wurde. d. Die Verteilung der Verkehrsleistung auf bis zu fünf Unternehmen kann zu ehrblichen Steigerung der Kosten und Aufwand führen. Zusätzlich ergibt sich ein erhöhter Kommunikationsaufwand, um sicherzustellen, dass Anschlussverkehre gewährleistet werden können. Hier zeigt bereits der ÖPNV-Markt, dass solche Aufteilungen der Verkehrsleistungen die Ausnahme sind und sein werden. 

Transparenz und Mitbestimmung: Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften müssen in den Ausschreibungsprozess transparent und frühzeitig eingebunden werden. Ihre Erfahrungen und Perspektiven sind essenziell für eine erfolgreiche und nachhaltige Gestaltung des ÖPNV. Die Verkehrsgesellschaft MOIN steht vor großen Herausforderungen und Chancen. Mit einer fairen und zukunftsorientierten Ausschreibung können Sie nicht nur die Qualität des ÖPNV im Landkreis Lüneburg sichern, sondern auch ein Zeichen setzen für gute Arbeit und soziale Verantwortung.

Bitte nehmen Sie Ihre Verantwortung ernst und stellen Sie die Weichen für einen fairen und nachhaltigen öffentlichen Nahverkehr.

Mit freundlichen Grüßen Heiko Groppe
Gewerkschaftssekretär

Dieses Schreiben wurde in Zusammenarbeit mit Beschäftigten aus ÖPNV-Unternehmen im Landkreis Lüneburg erstellt.

© Fotos: ca


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