Lüneburg, am Sonntag den 01.12.2024

Betroffene halten nichts von Konzept der Stadt

von Carlo Eggeling / Initiative am 18.11.2024



Was Politik und Verwaltung als großen Wurf in der Frage des Erbbaurechts preisen, sehen Betroffene in Lüneburg ganz anders. Vertreter der Erbbaurechts-Initiative sprechen von einem "skandalösen" Vorgehen, monieren, dass sie in die Konzeption nicht einbezogen worden seien. Die versprochenen Erleichterungen können sie nicht ausmachen, da sich der Ansatz weiter an Bodenrichtwerten orientiere.
Überdies würden andere Städte deutlich günstigere Konditonen aufrufen. Praktiker aus der Immobilienbranche merken an, dass Aussagen, Leute könnten ihre Häuser ja verkaufen, wenig hilfreich seien. Erbbaugrundstücke seinen am Markt kaum zu verkaufen, da gesetzliche Vorgaben viele Eventualitäten der Zukunft einbeziehen müssten. Kurz: Die Belastungen, die auf den Flächen liegen, seien so hoch, dass eine Finanzierung völlig unattraktiv ist. Der vorliegende Entwurf würde das nicht ändern.
Die Verwaltung hingegen vertritt die Ansicht, die Probleme könnten durch die veränderten Ansätze gelöst werden.
Die BI ruft zu Protesten auf, nennt Termine und hat einen langen offenen Brief verfasst. ca

Alles im Wortlaut:
1. Finanzausschuss Do. 21.11.2024 um 18 Uhr im Huldigungssaal/ Rathaus
Kommt bitte alle an dem Tag um 17 Uhr zum Rathaus, um vor der Veranstaltung den gemeinsamen Protest gegen das Vorgehen und den Lösungsvorschlag der Stadt zum Ausdruck zu bringen!!! Bringt gern Plakate und Sonstiges mit und anschließend, wer kann auch als Zuhörer zum Ausschuss - er tagt öffentlich, wir sollten da zeigen, dass wir viele ganz viele sind.
2. Verwaltungsausschuss Di. 26.11.2024
3. Ratssitzung Do. 28.11.2024 von 17-21 Uhr, Veranstaltungsort noch unbekannt
Kommt bitte alle an dem Tag um 16 Uhr zum Veranstaltungsort der Ratssitzung, um vor der Veranstaltung den gemeinsamen Protest gegen das Vorgehen und den Lösungsvorschlag der Stadt zum Ausdruck zu bringen! Bitte erkundigt euch direkt bei der Stadt, wo die Ratssitzung stattfinden wird, im allris-Informationssystem der Stadt ist noch keine Information zu finden.
Zur Zeit bekommen wir nach der Veranstaltung am 13.11.2024 viele Anrufe und Mails mit Fragen und Empörungen zum Vorschlag der Stadt. Bitte wendet euch damit am besten umgehend direkt an die politischen Vertreter:innen bzw. an die Stadtkämmerei, die die Organisation der interfraktionelle Arbeitsgruppe durchführt.
Am Mi. 20.11.2024 findet um 19 Uhr das nächste Aktiven-Treffen im FREIRAUM Lüneburg statt. Kommt gern vorbei, um gemeinsam weitere Maßnahmen auf den Weg zu bringen und meldet euch, wenn es Fragen geben sollte.

Der offene Brief

Sehr geehrte Mitglieder des Rates der Hansestadt Lüneburg,
sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Kalisch,
sehr geehrter Stadtkämmerer Matthias Rink,

nachdem die interfraktionelle Arbeitsgruppe Erbbau der Hansestadt Lüneburg auf Einladung der Initiative
für deren Veranstaltung „WIN-WIN für alle! Langfristig sozialverträgliche Konditionen und bezahlbares
Wohnen im Erbbau“ am 13.11.2024 keinen Vertreter/ keine Vertreterin für das Podiumsgespräch
benannte, räumte die Initiative der interfraktionellen Arbeitsgruppe kurzfristig die Möglichkeit ein, auf der
Veranstaltung zum aktuellen Stand zu berichten.
Bis zu dieser Veranstaltung hatte sich die interfraktionelle Arbeitsgruppe mit der Initiative weder
konstruktiv inhaltlich ausgetauscht noch Informationen über ihre Lösungsvorstellungen mitgeteilt, so dass
der kurzfristige Auftritt inhaltlich vorab unbekannt war. Statt einer ersten, ergebnisoffenen Vorstellung der
städtischen Lösungsansätze wurde der Öffentlichkeit und der Initiative an diesem Abend ein fertiges, mit
den Betroffenen nicht einmal erörtertes „Lüneburger Modell“ lediglich zur Kenntnis gegeben, das nun im
Eiltempo durch die Gremien gepeitscht und bereits am 28.11.2024 vom Rat der Hansestadt Lüneburg
verabschiedet werden soll.
Die Initiative verurteilt dieses Vorgehen der Lüneburger Politik und Verwaltung auf das Schärfste. Seit ihrer
Gründung im Mai 2024 hat die städtische, interfraktionelle Arbeitsgruppe zu keinem Zeitpunkt – bis auf
eine zu kurzfristige Einladung für den 12.11.2024, einen Tag vor der Veranstaltung der Initiative - das
Gespräch mit der Initiative gesucht, sondern jeglichen Austausch taktisch verweigert. Die Ignoranz und das
konspirative Vorgehen der städtischen Arbeitsgruppe, die ihr Modell hinter verschlossenen Türen
entwickelte und erst auf der Veranstaltung der Initiative die "Katze aus dem Sack" ließ, empört uns in
höchstem Maße!
Diese Hinterzimmerpolitik ist ein Schlag ins Gesicht für den Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern der Stadt
und den Aktivitäten der Initiative seit einem Jahr – all dies hat mit demokratischen Verständnissen von
Dialog, Transparenz, Beteiligung, Wertschätzung und Aushandlungsprozessen rein gar nichts zu tun. Der
interfraktionellen Arbeitsgruppe ist das Lösungsmodell der Initiative bereits seit sechs Monaten bekannt,
ohne dass auf die Einladungen und Anregungen der Initiative für einen inhaltlichen Austausch eingegangen
wurde - um nun im Alleingang und in kürzester Zeit über ein weder öffentlich diskutiertes noch gemeinsam
ausgehandeltes Konzept „Lüneburger Modell“ im Rat der Stadt entscheiden zu lassen. Ein solches
demokratiefeindliches Vorgehen befeuert wachsende Vertrauensverluste der Zivilgesellschaft in
demokratische Prozesse und Institutionen!
Der konzeptionelle Vorschlag und das Vorgehen der interfraktionellen Arbeitsgruppe machen wiederholt
deutlich, dass der zunehmende Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Lüneburg sozialpolitisch nicht
behandelt wird und nur im Zusammenhang mit der Ausweisung von Neubaugebieten eine Rolle spielt.
Mieter und Mieterinnen von Wohnungen oder Grundstücken (Erbbau) sowie eine tragfähige sozial-
ökologische Stadtentwicklung im Bestand besitzen offensichtlich keine Lobby bei politischen
Vertreter:innen der Stadt!
Das angeblich gemeinwohlorientierte Modell der interfraktionellen Arbeitsgruppe reicht bei weitem nicht
aus, um langfristig bezahlbaren Wohnraum im Erbbau zu sichern. Es ist eine Mogelpackung, bei der
insbesondere einkommensschwache Gruppen – und dazu gehören nicht nur Familien und Senior:innen –
Initiative “Bezahlbarer Wohnraum im Erbbau Lüneburg” Tel. 0151- 6841 5848 ini-bwe-lg@web.de www.ini-erbbau-lg.de
Kooperationspartner der Initiative
einmal mehr durch das Raster fallen - zumal u.a. die Kernproblematik "Bodenrichtwert" als entscheidende,
heute überholte Einflussgröße für unberechenbar steigende Erbbauzinsen in dem städtischen Konzept nicht
angefasst wird. Anstelle einer neuen, gerechten Grundsatzregelung zur Ermittlung der Erbbauzinsen wird
ein bürokratisches Monster aufgebaut mit einem aufwändigen, viele sicher auch abschreckenden,
individuellen Antragsverfahren und regelmäßig notwendigen Prüfungen der Bewilligungsvoraussetzungen
(Alter, Einkommen, Familienstand etc.).
Der Vorschlag der interfraktionellen Arbeitsgruppe sieht ferner keine konsequente Senkung des
Regelerbbauzinssatzes vor wie es bundesweit ähnlich betroffene Städte wie Lübeck (2,0%), Hamburg
(1,3%), Münster (2,5%) oder Frankfurt (2,5%) tun. Gerade an einem Hotspot steigender Bodenrichtwerte
wie Lüneburg wäre dies unbedingt notwendig. Eine im interfraktionellen Konzept vorgesehene Senkung des
Regelerbbauzinssatzes um 0,5% ist billige Kosmetik und kann nur mit Realitätsverlust und Zynismus erklärt
werden. Als Gemeinwohl wird hier offensichtlich die Einnahmenmaximierung für die Stadtkasse
verstanden.
Sowohl Politik als auch Verwaltung in Lüneburg bedienen das Narrativ, als würden ihnen bei einer
konsequenten, langfristig wirkenden, sozialverträglichen Reform der Erbbauzinsen Einnahmen entgehen.
Dies ist unwahr! Die Einnahmen der Erbbaugeber werden sich in jedem Fall erhöhen, im Lösungsmodell der
Initiative z.B. angemessen um das 4-6-fache der Altverträge. Entscheidend ist, ob die Politik ihre
Grundsatzentscheidungen zum Erbbau an sozialen oder an gewinnmaximierenden Kriterien ausrichtet.
Entscheidend ist, was unter dem Strich herauskommt: Angemessen ist eine Erhöhung dann, wenn der
Betrag am Ende der Berechnung sich langfristig und planbar in einem sozialverträglichen Rahmen bewegt.
Für den Erbbau mit seinen heutigen Rahmenbedingungen wäre eine Spanne zwischen 200 und 350 Euro an
monatlichen Erbbauzinsen verhandelbar und angemessen, alles darüber hinaus missachtet die
verfassungsrechtliche Pflicht öffentlich-rechtlicher Einrichtungen, den Grundsatz angemessener
Vertragsgestaltung zu wahren.
Die Initiative hat im Laufe des Jahres mehrfach Gespräche mit allen Ratsfraktionen der Hansestadt
Lüneburg geführt und ist dabei offen, transparent und dialogbereit auf die Politik und die Verwaltung
zugegangen. Mit ihren Informationen, Gesprächen, Aktionen und Veranstaltungen hat sie damit Aufgaben
von Politik und Verwaltung übernommen, einen öffentlichen Diskurs zu einem wohnungspolitisch wichtigen
und drängenden Thema zu eröffnen. Statt zu kooperieren haben Politik und Verwaltung einen Diskurs
taktisch zu umgehen versucht und mit ihrem Vorgehen sowohl Betroffene als auch die Öffentlichkeit hinter
das Licht geführt. Warum das Thema bezahlbarer Wohnraum in Lüneburg lediglich über die Stadtkämmerei
und den Finanzausschuss behandelt wird, ist dabei höchst fragwürdig, zumal es sich inhaltlich vorrangig um
ein Thema für den Stadtentwicklungsausschuss handelt.
Einmal mehr nutzen die politischen Vertreter:innen und die Verwaltung der Hansestadt Lüneburg ihr
Mandat und ihre Macht, um wichtige, langfristige Entscheidungen zu fällen, die an zentralen Problemlagen
und Bedürfnissen vieler Bürgerinnen und Bürger vorbeigehen. Doch dies ist nicht das Ende der
Auseinandersetzungen, sondern erst der Anfang. Politiker:innen und Verwaltung sollten sich sehr genau
überlegen, ob ihr Konzept und ihr Vorgehen den kommenden Auseinandersetzungen um Sachgerechtigkeit,
Angemessenheit, Beteiligung und Gemeinwohlorientierung Stand halten werden.
Lüneburg, 17.11.2024
Initiative Bezahlbarer Wohnraum im Erbbau Lüneburg Verband Wohneigentum Niedersachsen e.V.
Matthias Fricke Annegret Kühne Peter Wegner

© Fotos: Initiative


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